04.07.2022

Happy birthday, Higgs-Boson!

Vor zehn Jahren wurde am CERN der Nachweis des Higgs-Bosons verkündet.

„Als Laie würde ich sagen: Wir haben es.“ – so der damalige CERN-Generaldirektor Rolf-Dieter Heuer. Am 4. Juli 2012 verkündeten die ATLAS- und CMS-Kollaborationen im Rahmen eines großen Kolloquiums ihre neuesten Ergebnisse: Sie hatten ein neues Teilchen gefunden, genauer ein Boson mit einer Masse von rund 126 Giga-Elektronenvolt.

Heuer bezog sich auf das lange gesuchte Higgs-Boson, benannt nach Peter Higgs, einem seiner Väter. Dieses Boson ist mit dem fundamentalen Higgs-Feld verbunden, durch das die Teilchen erst ihre Masse erhalten und damit unser Universum seine Stabilität.

Das entdeckte Teilchen schien zum Steckbrief für das Higgs-Boson zu passen. Doch Heuers vorsichtige Formulierung war berechtigt, denn noch war unklar, ob es sich um das Higgs-Boson des Standardmodells handelte oder das leichteste einer supersymmetrischen Theorie. Nachdem die Kollaborationen der Detektoren ATLAS und CMS noch 2,5-mal so viele Daten ausgewertet hatten, herrschte Gewissheit: Am 14. März 2013 gab das CERN bekannt, das Higgs-Boson des Standardmodells entdeckt zu haben.

Das 10-jährige Jubiläum der ersten Verkündung der Entdeckung des Higgs-Bosons ist Anlass für ein Symposium am CERN, das am Jubiläumstag ab 9 Uhr auch online verfolgt werden kann. Die Begleitveranstaltungen in Deutschland sind auf einer eigens eingerichteten Webseite zusammengefasst (Link siehe unten).

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Peter Higgs und François Englert erhielten darauf bereits 2013 den Nobelpreis für Physik. Die beiden hatten getrennt voneinander 1964 den zugrundeliegenden Mechanismus postuliert – Englert zusammen mit Robert Brout –, mit dem zunächst masselose Teilchen durch Wechselwirkung mit einem Hintergrundfeld Masse erhalten.

„Die Entdeckung des Higgs-Bosons war ein monumentaler Meilenstein in der Teilchenphysik. Sie markiert sowohl das Ende einer jahrzehntelangen Forschungsreise als auch den Beginn einer neuen Ära der Erforschung dieses ganz besonderen Teilchens", sagte Fabiola Gianotti, Generaldirektorin des CERN und Projektleiterin des ATLAS-Experiments zum Zeitpunkt der Entdeckung. „Ich erinnere mich mit Rührung an den Tag der Bekanntgabe, ein Tag großer Freude für die weltweite Teilchenphysik-Gemeinschaft und für all die Menschen, die jahrzehntelang unermüdlich daran gearbeitet haben, diese Entdeckung möglich zu machen.“

Der Large Hadron Collider (LHC) nimmt nun rundum erneuert seine Arbeit wieder auf. Nach drei Jahren Wartung und Ausbau ist der LHC bereit, erneut Protonenkollisionen für Experimente zu liefern, nun mit der bislang unerreichten Energie von 13,6 TeV. Die dritte Phase der auf vier Jahre angelegten Datennahme durch den Beschleuniger beginnt einen Tag nach dem 10-jährigen Jubiläum der Entdeckung des Higgs-Bosons.

Das Higgs-Boson ist gewissermaßen der Schlussstein des Standardmodells der Teilchenphysik und markiert gleichzeitig den dringenden Bedarf für weitere Forschungen. Denn auch wenn sich das Standardmodell bislang bestens bewährt hat, liefert es keine Antworten auf die großen Fragen der Physik: Wie lässt sich die Gravitation mit dem Standardmodell vereinen? Wieso ist die Materie-Antimaterie-Symmetrie gebrochen? Woraus besteht Dunkle Materie?

Zu den Antworten sollen die zahlreichen Verbesserungen am Beschleuniger und den Detektoren des LHC maßgeblich beitragen. Neben der höheren Energie und Intensität der Teilchenstrahlen, die eine höhere Produktionsrate an Kollisionsereignissen bedeutet, wurden die Detektorleistungen und die „Trigger“, welche die besonders interessanten Ereignisse herausfiltern, entscheidend verbessert.

Das wird auch den weiteren Untersuchungen des Higgs-Bosons zugute kommen. „Wir freuen uns auf die Messungen des Higgs-Boson-Zerfalls in Teilchen der zweiten Generation wie Myonen“, sagte CERN-Theoretiker Michelangelo Mangano bei der Pressekonferenz am 30. Juni. „Dies wäre ein völlig neues Ergebnis in der Higgs-Boson-Saga und würde zum ersten Mal bestätigen, dass auch Teilchen der zweiten Generation durch den Higgs-Mechanismus Masse erhalten“. Joachim Mnich, Direktor für Forschung und Computing am CERN, ergänzte: „Weitere offene Fragen sind: Ist das Higgs ein fundamentales oder ein zusammengesetztes Teilchen? Gibt es weitere Higgs-Bosonen?“

„Die Entdeckung des Higgs-Bosons war eine Revolution“, sagte Gian Giudice, Leiter der Abteilung für Theoretische Physik am CERN. Er betonte die fundamentale Bedeutung der weiteren Forschungen: „Es geht weniger um die Entdeckung neuer Teilchen, sondern neuer Prinzipien.“

Dem Jubiläum widmet sich auch die neue Ausgabe von Physikkonkret der DPG. Darin findet sich auch ein Zitat von Peter Higgs, das die Erwartungen an die neuen Forschungen am LHC auf den Punkt bringt: „We've scratched the surface. But we have clearly much more to discover.”

Alexander Pawlak

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