11.04.2019

Die Promotion in der Physik

Die DPG hat eine umfangreiche Studie zur Physik-Promotion in Deutschland herausgegeben.

Das Verständnis, was eine Promotion ist, und die Verfahren zur Erlangung eines wissenschaftlichen Doktorgrades befinden sich im Wandel – so konstatierten die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften, die Leopoldina und acatech 2017 in einer gemeinsamen Stellungnahme. Gründe dafür sind unter anderem die zunehmende Internationalisierung der Hochschulen, die Einrichtung strukturierter Promotionsprogramme, steigende Zahlen von Promovierenden oder auch die Frage, ob die Promotion eher dem Studium zuzuordnen ist oder das erste Karrierestadium darstellt. Die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) hat die Promotion in der Physik in Deutschland nun umfassend untersucht und dazu sowohl Physikprofessorinnen und -Professoren als auch die Promovierenden selbst befragt.

Bereits 2007 hatte die DPG eine Studie „Zur Promotion im Fach Physik an deutschen Universitäten“ veröffentlicht. Seitdem ist die Zahl der jährlichen Physikpromotionen von 1200 auf 1800 gestiegen, die universitären und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich geändert, die Exzellenzinitiative mischte die Wissenschaftslandschaft auf und in der Physik wurde die Frage nach der strukturierten Graduiertenausbildung durchaus kontrovers diskutiert. Die jüngste Studie beleuchtet nun die derzeitige Realität der Promotion und korrigiert so manches Klischee.

Warum streben Sie eine Promotion an? Wortwolke aus den Freitextantworten auf...
Warum streben Sie eine Promotion an? Wortwolke aus den Freitextantworten auf diese Frage. (Quelle: DPG)

In die Auswertung sind neben allen 60 einschlägigen Promotionsordnungen in der Physik 24 Experteninterviews und die Antworten von insgesamt 2009 Physik-Promovierenden eingegangen – das ist gut ein Viertel aller Physik-Promovierenden. „Die Studie dürfte die erste so groß angelegte fachspezifische Untersuchung zur Situation der Promotion in Deutschland sein“, kommentiert Gert-Ludwig Ingold, Sprecher der Konferenz der Fachbereiche Physik (KFP) und Hauptautor der Studie. „Sie bestätigt manche Vermutung, enthält aber auch Überraschungen.“

Ein Beispiel für solche Überraschungen mag die Promotionsdauer sein: So zeigte die Studie, dass die Promotion in der Physik nicht drei Jahre dauert, sondern eher vier bis viereinhalb Jahre, und das gilt auch in strukturierten Promotionsprogrammen. Dies stützt die Ergebnisse der alljährlichen Studierendenstatistik. Mehr als drei Viertel der Promovierenden sind in die akademische Lehre eingebunden, leiten Übungsgruppen für Studierende oder betreuen Bachelor- sowie Masterarbeiten. Damit leisten Promovierende einen unverzichtbaren Beitrag zur Forschung sowie zum akademischen Lehrbetrieb.

Bisherige Promotionsdauer der Befragten in Halbjahresschritten. Der letzte...
Bisherige Promotionsdauer der Befragten in Halbjahresschritten. Der letzte Balken erfasst alle bisherigen Promotionsdauern größer als sechs Jahre. Insgesamt wurden 2003 Antworten abgegeben. (Quelle: DPG)

Die Hälfte der Promovierenden ist auf einer halben Stelle nach TV-L 13 beschäftigt. Fast ein Fünftel der Promovierenden ist bei Aufnahme des Promotionsprojektes aber nicht sicher, ob die Finanzierung ihrer Stelle bis zum Ende des Promotionsverfahrens gesichert ist. Aus diesem Grund  meint über die Hälfte der Promovierenden, dass Arbeitslosigkeit während der Promotion zumindest gelegentlich vorkomme, während die befragten Professoren dies für ein Randthema halten. Strukturierte Promotionsprogramme sind in der Physik fest etabliert, die Mehrheit der Promovierenden arbeitet allerdings nach wie vor klassisch mit einem Doktorvater oder einer Doktormutter zusammen.

Die meisten Studierenden entscheiden sich aus wissenschaftlichem Interesse für eine Promotion, nur wenige aufgrund des Titels. Neben den Fachkenntnissen erlernen die Promovierenden auch überfachliche Kompetenzen. Das ist wichtig, weil nur 15 Prozent der Promovierenden damit rechnen, dauerhaft in der akademischen Forschung zu verbleiben. 95 Prozent der Promovierenden geben an, dass ihnen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Berufs- und Privatleben wichtig ist. Bei der Frage, ob die Arbeit an einem Promotionsprojekt mit dem Familienleben vereinbar sei, gehen die Meinungen allerdings auseinander.

Die Studie untersucht ferner, wie verbreitet alternative Formen wie kumulative oder kooperative Promotionen sind und weist darauf hin, dass mittlerweile vereinzelt auch während der Promotionsphase Leistungspunkte erworben werden müssen. Sollten diese Beispiele Schule machen, könnte dies den Charakter der Promotion nachhaltig verändern.

Die nun vorliegende Studie der DPG bezieht nicht Stellung in den verschiedenen gegenwärtig geführten Debatten zur Promotion, will aber dazu beitragen, eine breite empirische Grundlage zu schaffen, um die notwendige Diskussion über die Zukunft der Promotion im Wissenschaftssystem sachgerecht, engagiert und mit nüchternem Blick führen zu können.

Maike Pfalz / DPG

 

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