21.03.2023

WissZeitVG: Zu kurz für eine Qualifizierung

Die Deutsche Physikalische Gesellschaft nimmt Stellung zur geplanten Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes.

Die Lebens- und Karrierewege von Absolventinnen und Absolventen eines Physikstudiums sind vielfältig und daher kaum mit einheitlichen Regeln zu begleiten. Während eine Promotionsphase (R1) auf unterschiedliche Berufe in der privaten Wirtschaft oder im öffentlichen Dienst vorbereitet und eine Postdoc-Phase (R2) zur Orientierung und der Forschung an befristeten Projekten dient, streben fortgeschrittene Nachwuchswissenschaftler:innen (R3) eine Professur (R4) an. (Die Kürzel beziehen sich auf die Definitionen des European Framework for Research Careers.)

Befristete Arbeitsverhältnisse sind für Forschung und Lehre an Universitäten konstitutiv und daher für Promovierende (R1) und Postdocs (R2) – im Rahmen typischer Ausbildungs- und Projektdauern – unabdingbar.

In der R3-Phase sind belastbare Entfristungsperspektiven wichtig, um herausragende Talente in der Wissenschaft zu halten und um exzellente Professorinnen oder Professoren an Universitäten zu gewinnen – insbesondere angesichts des demographischen Wandels. Sie geben Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler die Sicherheit, ihre Forschungsleistung im Einklang mit ihrer Lebens- und Familienplanung voll entfalten zu können und fördern deren Gleichstellung. Daher ist es anzustreben, das Verhältnis von unbefristeten zu befristeten Stellen zu erhöhen.

Strikte (gesetzliche) Vorgaben für Befristungsdauern sind in der R3-Phase weder für die Forschungsplanung förderlich noch für die Diversität individueller Lebensführungen. Die Möglichkeit verschiedener Karrierewege (Habilitation, Juniorprofessur, Leitung einer Nachwuchsgruppe, finanziert durch Haushalts- oder Drittmittel) zur Professur ist sinnvoll, sofern diese die gleichen Möglichkeiten zur Qualifizierung bieten, insbesondere mit Blick auf wissenschaftliche Selbstständigkeit und die Betreuung von Qualifizierungsarbeiten.

Eine Höchstbefristungsdauer in der Phase R2/R3 auf drei Jahre (wie im Vorschlag des BMBF vom 17. März 2023) ist laut DPG zu kurz für eine Qualifizierung für eine universitäre Professur und führt in der Praxis zu unsicherer Anschlussfinanzierung durch Drittmittel oder zu einer Abwanderung ins Ausland, was Karrierewege in Deutschland strukturell benachteiligt.

Damit Universitäten der Verantwortung für ihre Angestellten gerecht werden und gleichzeitig ihre hohe Forschungs- und Lehrleistung aufrechterhalten können, ist es notwendig, zusätzliche unbefristete Stellen zu schaffen. Diese müssen durch eine signifikant erhöhte Grundausstattung sowie höhere Projektpauschalen bei Drittmitteln finanziert werden, die sich für forschungsbegleitende Stellen zusammenführen ließen. Damit ist die notwendige Diversifizierung akademischer Karrierewege mit permanenten Stellen neben der Professur zu etablieren.

Eine Drittmittelfinanzierung der forschungstragenden Nachwuchswissenschaftlerinnen oder -wissenschaftler (R3) darf nicht zu einer Erhöhung ihrer Karriererisiken führen. Wünschenswert wäre eine kompetitive Antragsmöglichkeit für unbefristete, von Bund und Ländern finanzierte Ad-personam-Stellen für langfristige Projekte in Forschung und Lehre. Dies ist für die nachhaltige Sicherung eines attraktiven Wissenschaftsstandorts Deutschland erforderlich.

Auch der Deutsche Hochschulverband (DHV) hat zu dem Thema Stellung genommen: Das vom BMBF vorgelegte Eckpunktepapier sei eine solide Diskussionsgrundlage, die jedoch weiterer Erörterung bedarf. „Das Bestreben, die berechtigten Wünsche der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in frühen Karrierephasen nach mehr Planbarkeit und Sicherheit auch unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit in Einklang mit dem Interesse des Gesamtsystems Wissenschaft nach inhaltlicher Erneuerung durch personelle Wechsel zu bringen, ist in dem nun vorgelegten Kompromiss erkennbar“, erklärte DHV-Präsident Bernhard Kempen.

Auch aus Sicht des DHV sei es problematisch, die Postdoc-Phase gesetzlich auf höchstens drei Jahre zu befristen. Dies schade wissenschaftlichen Karrieren oder mache sie in vielen Fällen gar unmöglich. Sollte die Höchstbefristungsdauer für Postdocs nicht erhöht werden, sieht der DHV die Bundesländer in der Pflicht: Sie müssten für die Postdocs deutlich mehr Juniorprofessuren im Beamtenverhältnis zur Verfügung stellen, um die unattraktiver gewordenen Stellen für Postdocs im Angestelltenverhältnis zu kompensieren.

DPG / Alexander Pawlak

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