14.03.2024

Universeller Mechanismus bei der Haftung weicher Materialien entdeckt

Rauigkeit der Oberfläche bestimmt Adhäsionshysterese.

Klebeband oder Haftnotizen lassen sich leicht an einer Oberfläche anbringen, aber nur schwer wieder von ihr lösen. Dieses Phänomen, die Adhäsions­hysterese, lässt sich grundlegend bei weichen, elastischen Materialien beobachten: Ein adhäsiver Kontakt wird leichter gebildet als getrennt. Forscher der Universität Freiburg sowie der US-amerikanischen University of Pittsburgh und University of Akron haben nun heraus­gefunden, dass diese Adhäsions­hysterese durch Oberflächenrauigkeit der haftenden, weichen Materialien hervor­gerufen wird. Anhand von Experimenten und Simulationen konnte das Team nachweisen, dass die Rauigkeit den Trennungs­prozess stört und dazu führt, dass sich die Materialien in winzigen, abrupten Bewegungen trennen, wodurch sich Teile der adhäsiven Verbindung schrittweise lösen.

Abb.: Diese Simulation zeigt die Kontaktfläche eines weichen Festkörpers, der...
Abb.: Diese Simulation zeigt die Kontaktfläche eines weichen Festkörpers, der von einer rauen Oberfläche getrennt wird. Jeder farbige Fleck entspricht einer Instabilität des Kontakts. Anhand der unterschiedlichen Farbintensität zeigt sich, wie viel Energie dabei verloren geht.
Quelle: A. Sanner & L. Pastewka

„Unsere Erkenntnisse werden es ermöglichen, die Haftungs­eigenschaften von weichen Materialien gezielt durch die Oberflächenrauigkeit zu steuern“, sagt Antoine Sanner von der Universität Freibutg. „Damit können künftig auch neue und verbesserte Anwendungen etwa in der Softrobotik oder Produktionstechnik entwickelt werden, zum Beispiel für Greifer oder Bestückungs­systeme.“ Bisher ging die Forschung davon aus, dass eine viskoelastische Energie­dissipation die Adhäsions­hysterese bei weichen Festkörpern verursacht. Dabei geht im Material Energie in Form von Wärme verloren, weil es sich im Kontakt­zyklus verformt: Es wird bei der Kontaktbildung komprimiert und dehnt sich beim Lösen aus. 

Diese Energieverluste wirken der Bewegung der Kontakt­fläche entgegen, wodurch sich die Haftungskraft beim Trennen verstärkt. Auch eine Kontakt­alterung, also die Ausbildung chemischer Bindungen an der Kontakt­fläche, wurde als Ursache vermutet. Hierbei wird die Haftung größer, je länger der Kontakt besteht. „Unsere Simulationen zeigen, dass die im Experiment beobachtete Hysterese auch ohne diese speziellen Energie­dissipations­mechanismen erklärt werden kann. Die einzige Quelle von Energie­dissipation in unserem numerischen Modell ist die plötzliche Sprungbewegung der Kontaktkante, die durch die Rauigkeit induziert wird“, so Sanner. 

Diese plötzliche Sprungbewegung ist in den Simulationen und in den Adhäsions­experimenten deutlich zu erkennen. „Die sprunghafte Änderung der Kontaktfläche wurde schon in den 1990er Jahren als mögliche Ursache der Adhäsions­hysterese genannt, jedoch beschränken sich die bisherigen theoretischen Arbeiten hierzu auf vereinfachte Oberflächen­beschaffenheit“ erläutert Nityanshu Kumar von der University of Akron. „Uns ist es das erste Mal gelungen, die Adhäsions­hysterese für realistische Oberflächen­rauigkeit zu berechnen. Dies beruht auf der Effizienz des numerischen Modells und einer extrem detaillierten Oberflächen­charakterisierung, die von den Forschern der University of Pittsburgh vorgenommen wurde,“ sagt Tevis Jacobs von der University of Pittsburgh.

Die Vision des Exzellenz­clusters Living, Adaptive and Energy-autonomous Materials Systems (livMatS) ist, das Beste aus der Natur und der Technik zu verbinden. livMatS entwickelt lebensähnliche Material­systeme, die von der Natur inspiriert sind. Diese Systeme werden sich autonom an Umwelt­bedingungen anpassen, saubere Energie aus ihrer Umgebung gewinnen und unempfindlich gegen Beschädigungen sein oder diese selbstständig ausgleichen.

U. Freiburg / JOL

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