01.09.2023 • Materialwissenschaften

Süßer Überzug unter der Lupe

Ergebnisse könnten helfen, die Prozesse bei der Herstellung von Fondant zu optimieren.

Zucker ist der Haupt­bestand­teil – und diesen schmeckt man deutlich: Fondant oder Schmelz­fondant, der auf Gebäck wie Amerikanern oder Petit Fours als Glasur verwendet wird – nicht zu verwechseln mit dem ausroll­baren Fondant, der bei Motivtorten zum Einsatz kommt. Ein Forschungs­team um Thomas Vilgis vom MPI für Polymer­forschung hat sich die mikro­sko­pischen Eigen­schaften des Modell-Fondants, der nur Zucker und Wasser enthält, bei seiner Erzeugung näher angesehen und ein unerwartetes Verhalten hinsichtlich seiner Zäh­flüssig­keit festgestellt. Ihre Ergebnisse könnten aber für noch weitere Prozesse in der Lebens­mittel­industrie relevant sein, wie etwa die Herstellung von zucker­redu­zierten Glasuren.

 

Abb.: Wie Zucker­kristalle auf der Ober­fläche von Gebäck...
Abb.: Wie Zucker­kristalle auf der Ober­fläche von Gebäck kristal­li­sieren, haben sich Forscher des MPI für Polymer­forschung genau ange­schaut. (Bild: MPI-P)

Fondant wird hergestellt, indem Zucker mit Wasser vermischt wird. Durch Erhitzen in die Nähe des Siedepunktes kann noch mehr Zucker darin gelöst werden, als das bei Raum­temperatur der Fall ist. Kühlt man die Mischung danach schnell ab, erhält man eine übersättigte Zuckerlösung. Diese hat mehr Zucker gelöst, als normaler­weise bei dieser Temperatur möglich. Die Folge davon: Rührt man diesen zäh­flüssigen Sirup schnell um, so entstehen darin mikro­skopische Zucker­kristalle - man erhält Schmelz­fondant.

Diesen Herstellungs­prozess haben die Forscher im Labor mit einem Laborkneter nachgestellt. Diese High-Tech-Mixer ist in der Lage, während des Knetens die Zäh­flüssig­keit mit hoher Präzision zu messen. Gleich­zeitig entnahmen sie zu verschiedenen Zeitpunkten des Knet­prozesses Proben, um diese unter einem Mikroskop zu untersuchen und so mit der Zäh­flüssig­keit korrelieren zu können. Hierbei haben sie festgestellt, dass die Mischung während des Kristal­li­sierens zunächst stark zähflüssig wird, bevor sie ihren weniger zäh­flüssigen Endzustand erreicht.

„Wir haben im Mikroskop gesehen, dass sich zum Zeitpunkt des Kristal­li­sierens zunächst auch recht große Zucker­kristalle bilden, die im Bereich von vierzig bis fünfzig Mikrometern liegen“, erläutert Vilgis. „Damit haben diese Mikrokristalle eine Größe, dass man den Fondant auf der Zunge als leicht körnig empfinden würde“. Rührt man weiter, so erniedrigt sich die Zähl­flüssig­keit wieder und die Kristalle werden kleiner. „Man kann sich das so vorstellen, dass die größeren Kristalle aneinander reiben. Je weiter man aber rührt, in desto kleinere Bruchstücke zerfallen sie“, erklärt Hannah Hartge aus dem Team von Vilgis. Erst wenn der Punkt maximaler Zäh­flüssig­keit über­schritten ist, kann der Fondant als cremig-süßer und glänzender Überzug verwendet werden.

Die Forscher haben das Experiment in Abhängigkeit verschiedener Prozess­parameter wie Temperatur oder Zucker­gehalt durchgeführt. „Unsere Arbeiten zeigen das Zusammenspiel von Kristal­li­sations­geschwin­dig­keiten und Prozess­para­metern. So können wir Struktur und Funktion vorher­sagen“, sagt Hartge. „Bislang waren Lebens­mittel­systeme wie Fondants kaum im Fokus der wissen­schaft­lichen Forschung, insbesondere der Physik." Ihre Ergebnisse könnten es erlauben, bei der Herstellung von Fondant oder auch anderen, ähnlichen Lebens­mittel­systemen, Prozess­parameter zu optimieren, und so das entsprechende Lebensmittel schneller und mit höherer Energie­effizienz herzustellen.

Die Wissenschaftler konnten das Experiment auch mit einem einfachen theoretischen Modell beschreiben, der Nukleations- oder Keimbildungs­theorie. „Wir waren erstaunt, dass diese fast hundert Jahre alte Theorie das Experiment sehr gut beschreiben konnte – obwohl sie eigentlich für nicht­bewegte Flüssigkeiten geschaffen wurde, anders als unsere gerührte Fondantmasse“, so Vilgis. Grund hierfür sei, dass die Bewegung der Zucker­moleküle verglichen mit der Knetbewegung viel langsamer von­statten­geht und die Zucker­moleküle somit als fast ruhend angesehen werden können. Für die industrielle Fertigung könnten die Ergebnisse helfen, die Prozesse bei der Fondant­herstellung zu optimieren.

MPI-P / RK

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