18.03.2019

Struktur im Chaos

Amorphe zelluläre Geometrien zeigen verborgene Ordnungsmuster.

Von der Suche nach dem optimalen Schaum bis zur Suche nach einer möglichst platzsparenden Art, Kugeln zusammenzupacken – die ideale Tesselierung des dreidimensionalen Raums, das heißt seine lückenlose Unterteilung in Zellen mit speziellen geometrischen Eigenschaften, beschäftigt die Wissenschaft schon lange. Sie ist nicht nur theoretisch interessant, sondern für viele praktische Anwendungen relevant, unter anderem in der Telekommunikation, zur Bildverarbeitung oder für komplexe Granulate. Mit einem speziellen Problem der Tesselierung, nämlich dem Quantisierungs­problem, haben sich nun Forschende am Institut für Stochastik des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) genauer befasst. „Ziel ist eine Einteilung des Raums in Zellen, bei der – intuitiv gesagt – alle Punkte in einer Zelle so nahe wie möglich am Zellzentrum liegen“, erklärt Michael Andreas Klatt, früherer Mitarbeiter des Instituts, der jetzt an der Princeton University in den USA tätig ist. Lösungen des Quantisierungs­problems lassen sich zur Entwicklung neuartiger Materialien nutzen und können künftig auch zu einem besseren Verständnis der einzigartigen Eigenschaften von komplexem Zellgewebe beitragen.

Abb.: Wie ungeordnet ein System anfangs auch sein mag – wird jede Zelle...
Abb.: Wie ungeordnet ein System anfangs auch sein mag – wird jede Zelle einzeln optimiert, bildet sich Schritt für Schritt stets die gleiche Struktur mit einer versteckten Ordnung. (Bild: M. A. Klatt)

In ihrer theoretischen Arbeit, die Methoden der stochastischen Geometrie und der statistischen Physik verbindet, verwendeten die Forscher am KIT sowie an der Princeton University, an der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg, am Ruđer Bošković Institut in Zagreb und an der Murdoch University in Perth den Lloyd-Algorithmus, eine Methode zur Einteilung des Raums in gleichmäßige Regionen. Jede Region weist genau ein Zentrum auf und umfasst diejenigen Punkte des Raums, die näher an diesem Zentrum liegen als an jedem anderen Zentrum. Solche Regionen heißen Voronoi-Zellen. Aus allen Punkten, die mehr als ein nächstgelegenes Zentrum besitzen, also die Grenzen der Regionen bilden, entsteht das Voronoi-Diagramm.

Die Wissenschaftler untersuchten die schrittweise lokale Optimierung verschiedenster Punktmuster und stellten fest, dass alle vollständig amorphen Zustände nicht nur vollständig amorph bleiben, sondern dass die anfangs vielfältigen Prozesse zu einem statistisch ununterscheidbaren universellen Ensemble konvergieren. Dabei gleicht die schrittweise lokale Optimierung auch extreme globale Schwankungen der Dichte schnell aus. „So entsteht eine Struktur, die fast hyperuniform ist – sie zeigt keine offensichtliche Ordnung, wohl aber eine versteckte Ordnung in großen Maßstäben“, berichtet Klatt.

Somit ist diese versteckte Ordnung in den amorphen Systemen universell, das heißt stabil und unabhängig von den Eigenschaften des Ausgangs­zustands. Das vermittelt grundlegende Einsichten in das Wechselspiel von Ordnung und Unordnung. Praktisch nutzen lässt sich dies unter anderem zur Entwicklung neuartiger Materialien: Interessant sind beispielsweise photonische Metamaterialien, ähnlich einem Halbleiter für Licht, oder Blockcopolymere – das heißt Nanopartikel, die aus längeren Sequenzen oder Blöcken verschieden­artiger Moleküle zusammengesetzt sind und selbstorganisiert regelmäßige und komplexe Strukturen ausbilden.

KIT / DE

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