27.01.2005

Netzwerke sind wie Fraktale

Ob Freundeskreise oder Hyperlinks im Internet - an sich nicht-hierarchische Netzwerke zeigen dieselbe Selbstähnlichkeit wie Fraktale.




Ob Freundeskreise oder Hyperlinks im Internet - an sich nicht-hierarchische Netzwerke zeigen dieselbe Selbstähnlichkeit wie Fraktale.

New York - Netzwerke sind überall zu finden, ob in der Technik, in der Natur oder in der menschlichen Gesellschaft. Beispiele wären: Internet-Links, Energieversorgungsnetzwerke, Flugverbindungen, Proteininteraktionen oder auch Beziehungen unter Menschen. Solche Typen von Netzwerken gelten als "skalenfrei" oder "skalen-invariant", es gibt also keine definierte Durchschnittszahl von Verknüpfungen zu den Knotenpunkten dieser Struktur. Und sie besitzen die Eigenschaft der "Kleinen Welt", d. h. mit nur wenigen Zwischenschritten gelangt man von einem Knoten zum nächsten. Deshalb hatte die gängige Lehrmeinung bisher ausgeschlossen, dass solche skalenfreien Systeme eine "Selbstähnlichkeit" besitzen, dass sich also die äußere Struktur bei genauerem Betrachten des Systems im kleineren Maßstab wiederholt. "Im Gegenteil, sie bestehen aus selbstwiederholenden Mustern in allen Längenskalen", schreiben Chaoming Song, Hernán Makse und Kollegen vom City College of New York im Fachblatt "Nature". Die Physiker hatten eine Vielzahl realer komplexer Netzwerke analysiert und überrascht festgestellt, dass sie tatsächlich eine unterliegende "Selbst-Ähnlichkeit" besitzen. Die untersuchten Strukturen umfassten Netzwerke von Schauspielern Homo sapiens im Allgemeinen, das WorldWideWeb und auch Netzwerke von Escherichia coli-Bakterien.

Die Selbstähnlichkeit ist vor allem von Fraktalen bekannt: Ob Farne oder verästelte Blutgefäße, zerklüftete Küstenlinien, Baumzweige oder die Oberfläche von Romanesco-Blumenkohl, immer wiederholen sich die äußeren Formen im Kleineren und noch Kleineren. Dabei ist exakte Selbstähnlichkeit bis ins Unendliche nur bei mathematisch erzeugten Objekten zu finden, etwa der Mandelbrot-Menge, der Koch-Kurve oder dem Sierpinski-Dreieck. Reale Objekte zeigen die Eigenschaft nur über wenige Stufen der Vergrößerungen hinweg.

Diese hierarchische Symmetrie, eine Skalierung nach dem Potenzgesetz, unterliegt laut Song, Makse und Kollegen auch vielen komplexen, bisher als skalenfrei geltenden Netzwerken - wenn auch nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Die Forscher zeigten, dass die Verbindungen zwischen Clustern (Häufungen) von Knotenpunkten in einem Netzwerk und zwischen solchen Häufungen von Häufungen den selben statistischen Tendenzen folgen wie die Verbindungen zwischen den einzelnen Knotenpunkten selbst.

Mit Hilfe von Methoden aus der statistischen Physik und der Fraktalgeometrie konnten die Forscher ihre Theorie sogar quantitativ belegen. Dabei wandten sie auf ihre Beispielnetzwerke die "Box-Counting"-Methode an, mit der dreidimensionale Fraktale mit einem Gitternetzwerk aus Boxen veränderlicher Größe überzogen werden. Auf das Netzwerk übertragen bedeutete dies, den Abstand zwischen zwei Knotenpunkten als Zahl der Verbindungen in der kürzesten Kette zwischen ihnen zu definieren. Das Ergebnis der Berechnungen zeigte, dass viele der realen Netzwerke ganz wie Fraktale einer Skalierung nach dem Potenzgesetz gehorchten. Das gleiche Ergebnis ergab auch die Renormalisierungstechnik, bei der man für ihre Netzwerkstruktur quasi immer gröbere Näherungen erstellt.

Die Selbstähnlichkeit der Netzwerke und ihre möglichen Folgen sind auch für das Forscherteam noch überraschend. Doch hoffen sie, dass die neuen Erkenntnisse helfen werden, das Wachstum und die Selbstorganisation komplexer Netzwerke zu erklären. Möglicherweise führe dies zu einem neuen Strukturgesetz für komplexe Systeme.

Dörte Saße

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