20.07.2022 • Geophysik

Mit akustischen Wellen Tsunamis vorhersagen

Seismische Daten können künftig bei der Vorhersage von Naturgefahren helfen.

Durch Prozesse im Erdinneren werden Erdbeben und Vulkanismus ausgelöst. Starkbeben mit Magnituden von acht oder höher auf der Richter-Skala gehören dabei zu den Ereignissen, die – insbesondere in Verbindung mit Tsunamis – zu hohen Opferzahlen in der Bevölkerung betroffener Regionen führen können. Mit Hilfe von seismischen Daten des Meeresbodens konnte ein inter­nationales Forscherteam jetzt das Bruch­verhalten von Erdbeben abbilden und deren Ausbreitungs­richtungen darstellen. Die Erkenntnisse ermöglichen zum ersten Mal, das Tsunami­potenzial abzuschätzen, das bei einem solchen Ereignis entsteht.

Abb.: Karte der Erd­beben­region vor Chile, auf der die seis­mischen Daten...
Abb.: Karte der Erd­beben­region vor Chile, auf der die seis­mischen Daten als gelbe und schwarze Striche markiert sind und die Erd­beben als rote Kreise (Haupt­beben), be­ziehungs­weise blaue Kreise (stärkstes Nach­beben; Bild: B. Ma, Geomar)

Starkbeben treten im marinen Bereich über­wiegend an aktiven Platten­grenzen auf. Dort wird die ozeanische Platte unter eine andere Erdplatte geschoben und im Zuge der Platten­tektonik tief in das Erdinnere zurück­ge­führt. Dieser Prozess ist zum Beispiel vor Südamerika zu beobachten und löst am chilenischen Kontinental­rand regelmäßig Starkbeben aus. In der Studie wird ein Beben näher erforscht, das im April 2014 mit einer Magnitude von 8,1 die Region um die Hafenstadt Iquique erschütterte, allerdings ohne dabei einen starken Tsunami auszulösen. Die Auswertung der Untersuchung birgt eine besonders hohe Relevanz für die Sicherheit von Küsten­gebieten in betroffenen Regionen sowie Reise­warnungen für den touristischen Bereich.

„Das Beben hat die Plattengrenze vom tiefen Hypozentrum bis in etwa 15 Kilometer Tiefe betroffen, wo der Bruch zum Stillstand kam. Er hat sich allerdings nicht bis hin zum Tiefsee­graben am Meeresboden ausgebreitet. Das erklärt, warum trotz der großen Stärke des Bebens kein signifi­kanter Tsunami ausgelöst wurde“, erläutert Bo Ma vom Forschungs­zentrum Geomar in Kiel. Wenn Starkbeben am Meeresboden stattfinden, haben sie das Potenzial, Tsunamis auszulösen. Das geschieht, wenn es durch das Beben zu einem Versatz des Meeresbodens kommt und so eine Welle im Wasser angeregt wird. Nur maximal ein Prozent der Erdbeben unter Wasser führen zu einem solchen Ereignis.

„Seismische Daten könnten zukünftig helfen abzuschätzen, wie groß eine Bruchzone und damit die Erdbeben­magnitude wird oder ob sich der Erdbeben­bruch bis zum Tiefsee­graben ausbreitet. Ist dies der Fall, dann ist die Wahrschein­lich­keit für einen starken Tsunami viel höher“, ergänzt Geomar-Forscherin Heidrun Kopp, die Leiterin der Studie.

Die für die Studie genutzten Daten wurden im Rahmen einer fünf­wöchigen Schiffs­expedition gewonnen. Hierzu wurden über eine Länge von insgesamt 5.500 Kilometer seismische Reflexions­daten mittels einer acht Kilometer langen Sensorkette aufgezeichnet. Bei dem Verfahren werden von der Meeres­ober­fläche aus Schall­wellen ausgesandt, die in den Meeresboden eindringen und reflektiert werden, so dass mittels akustischer Energie in den Meeresboden hineingesehen werden kann. Aus den Daten kann die Struktur des Meeresbodens bis ein eine Tiefe von über vierzig Kilometern abgebildet und Störungs­zonen wie die Platten­grenze sichtbar gemacht werden.

Auch die Bruchzone des Iquique-Bebens konnte damit erfasst werden. Dabei konnten die Wissen­schaftler nachweisen, dass entlang des tiefen Bereiches der Plattengrenze, wo sich das Erdbeben ausgebreitet hatte, das seismische Signal sehr schwach oder gar nicht vorhanden war. Der flache Bereich der Plattengrenze, der nicht vom Erdbeben­bruch betroffen war, konnte hingegen als starkes Signal abgebildet werden. Dieses Phänomen führen die Forscher auf den Flüssig­keits­haushalt der Plattengrenze zurück. So führt viel Flüssigkeit entlang der Plattengrenze zu einem starken Signal in der Messung. Die Bruchzone ist im Vergleich trocken und ist somit in den Daten nicht zu erkennen.

„Das hat uns zuerst sehr überrascht, denn die seismischen Daten, die während der Expedition aufgezeichnet wurden, haben eine exzellente Qualität. Sie wurden uns zur Verfügung gestellt, da wir am Geomar über besondere Techniken zur Daten­bearbeitung und Analyse verfügen, um die Plattengrenze in hoher Präzision abbilden zu können“, erläutert Ma. Die Auswertung liefert Hinweise auf den geophysi­ka­lischen Zustand der Plattengrenze. Entsprechende seismische Unter­suchungen können potenziell in anderen Regionen aufzeigen, wie weit sich ein Erdbeben­bruch ausbreitet und vor allem, ob er die Bereiche der Plattengrenze betreffen wird, bei denen ein erhöhtes Tsunami­potenzial vorliegt.

Geomar / RK

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