19.07.2022 • AstrophysikAstroteilchenphysik

Kosmische Neutrinofabriken

Ein großer Teil der aus dem Weltall auf die Erde treffenden Neutrinos stammt von Blazaren.

Die Erdatmosphäre wird ständig von kosmischer Strahlung bombardiert. Diese besteht aus elektrisch geladenen Teilchen mit Energien von bis zu 10 hoch 20 Elektronen­volt. Die Geburts­stätten der kosmischen Strahlung erzeugen auch Neutrinos. „Astro­physi­kalische Neutrinos entstehen ausschließlich in Prozessen, bei denen die kosmische Strahlung beschleunigt wird", erklärt Sara Buson von der Universität Würzburg. Genau das macht diese Neutrinos zu einzig­artigen Boten, die den Weg zur Lokali­sierung der Quellen kosmischer Strahlung ebnen. Doch trotz der riesigen Datenmenge, die Astro­physiker gesammelt haben, ist die Zuordnung von hoch­energe­tischen Neutrinos zu den astro­physi­kalischen Quellen, aus denen sie stammen, seit Jahren ein ungelöstes Problem.

Abb.: Künst­lerische Dar­stel­lung eines Blazars, der kos­mische...
Abb.: Künst­lerische Dar­stel­lung eines Blazars, der kos­mische Strah­lung, Neu­trinos und Pho­tonen auf hohe Energien be­schleu­nigt. (Bild: B. Amend, U. Würz­burg)

Buson hat das immer als eine spannende Heraus­forderung betrachtet. 2017 brachten die Forscherin gemeinsam mit Kollegen erstmals einen Blazar als mutmaß­liche Neutrino­quelle ins Gespräch – und löste damit eine wissens­chaftliche Debatte darüber aus, ob es tatsäch­lich einen Zusammen­hang zwischen Blazaren und hoch­energe­tischen Neutrinos gibt. Die Forschungs­gruppe von Buson begann dann im Juni 2021 ein ehrgeiziges Multi-Messenger-Forschungs­projekt mit dem Hauptziel, den Ursprung astro­physi­kalischer Neutrinos zu klären und möglicher­weise Blazare als erste Quelle extra­galak­tischer hoch­energe­tischer Neutrinos zu identi­fi­zieren. Dieses Projekt zeigt nun einen ersten Erfolg: Blazare lassen sich mit hoher Signifikanz mit astro­physi­kalischen Neutrinos in Verbindung bringen.

„Wir nutzen Neutrinodaten, die vom IceCube-Neutrino-Observa­torium in der Antarktis gewonnen wurden und einen Katalog von astro­physi­kalischen Objekten, die mit Sicherheit als Blazare identi­fiziert wurden“, erläutert Buson. „Wir haben eine Kreuz­korrelations­analyse zwischen den Daten­proben durch­geführt und starke Belege dafür gefunden, dass eine Unter­gruppe von Blazaren die beobachteten hoch­energe­tischen Neutrinos erzeugt. Die Wahr­schein­lich­keit, dass es sich dabei um einen Zufall handelt, ist sehr gering und liegt bei nur 6 × 10 hoch minus 7.“

Die Ergebnisse liefern damit zum ersten Mal einen über­zeugenden Beleg dafür, dass die Unter­gruppe der Pevatron-Blazare extra­galaktische Neutrino­quellen und damit Beschleuniger der kosmischen Strahlung sind. Laut Buson ist die Entdeckung dieser hoch­energe­tischen Neutrino­fabriken ein Meilenstein für die Astrophysik: „Sie bringt uns einen Schritt weiter bei der Lösung des jahr­hunderte­langen Rätsels um den Ursprung der kosmischen Strahlung.“

„Was wir beobachten, ist nur die Spitze des Eisbergs“, so die Forscherin weiter, „das sind möglicher­weise nur die hellsten und effi­zientesten Neutrino-Emitter.“ In der Tat, sagt sie, habe sich die statistische Analyse nur auf die viel­ver­sprechendsten IceCube-Neutrino­daten konzentriert. Buson erwartet, dass anspruchs­vollere Analyse­techniken weitere Entdeckungen bringen werden. Die Pevatron-Blazare sind eine neue Heraus­forderung für die Multi-Messenger-Astrophysik, so Buson: „Was macht diese Gruppe von Blazaren so besonders unter den Tausenden von vergleich­baren Objekten in unserem Universum? Diese und andere Fragen werden unsere Multi-Messenger-Gemeinschaft in den kommenden Jahrzehnten beschäftigen.“

U. Würzburg / RK

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