24.11.2022

Exoplaneten-Atmosphäre unter der Lupe

James-Webb-Weltraumteleskop liefert einzigartige Charakterisierung von WASP-39b.

Informationen über Wolken, ein nahezu vollständiges chemisches Inventar, das Hinweise auf die Entstehungsgeschichte des Planeten gibt, erstmals Daten zur Photochemie – und das sind nur einige der Highlights der jetzt veröffentlichten Beobachtungen des Exoplaneten WASP-39b mit dem James-Webb-Weltraum­teleskop (JWST). „Daten wie diese sind ein Wendepunkt“, urteilt Natalia Batalha (University of California in Santa Cruz), die das Beobachtungsprogramm koordinierte, das zu den neuen Ergebnissen führte. Die neuen Ergebnisse einer Gruppe von Astronomen, zu der auch MPIA-Direktorin Laura Kreidberg gehört, sind eine Art Testlauf für jene Methoden, mit denen Astronomen hoffen, in Zukunft auch einmal Leben auf fernen Planeten nachweisen zu können – eine Aufgabe für einen Nachfolger des JWST.

 

Abb.: Eine Illustration, die zeigt, wie der Exo­planet WASP-39b nach...
Abb.: Eine Illustration, die zeigt, wie der Exo­planet WASP-39b nach derzeitigem Wissen aussehen könnte. (Bild: NASA / ESA / CSA / J. Olmsted, STScI)

Der Start des JWST am 25. Dezember 2021 hat die Astro-Gemeinschaft weltweit elektrisiert. Die ersten Bilder und Spektren, die Mitte Juli 2022 veröffentlicht wurden, schraubten die Erwartungen noch zusätzlich in die Höhe. Sie zeigten eindrücklich, um wie viel besser das Leistungs­vermögen des JWST im Vergleich zu den bis dahin verfügbaren Teleskopen im gleichen Wellenlängen­bereich ist: Wie detailliert das Teleskop in der Lage ist, einige der am weitesten entfernten Objekte im Universum abzubilden, und wie hoch die Daten­qualität für Helligkeits­messungen und die Bestimmung astronomischer Spektren ist.

Für Astronomen, die ihre eigenen Beobachtungen planen, waren die in diesen ersten Bildern enthaltenen Informationen natürlich nicht annähernd ausreichend. Für sie wurde JWST unmittelbar danach auf Herz und Nieren geprüft, und zwar in den ersten fünf Monaten des wissenschaftlichen Betriebs von JWST in Form der „Early Release Science Programs“. Das sind 13 Beobachtungsprogramme, die eine repräsentative Auswahl an Zielen von Objekten des Sonnensystems bis hin zu den entferntesten Galaxien abdecken und speziell so ausgewählt wurden, dass sie beobachtenden Astronomen alle Informationen liefern, die sie benötigen, um für spätere eigene Beobachtungs­vorhaben die Instrumente von JWST optimal zu nutzen. Die Daten werden dementsprechend direkt nach Abschluss der Beobachtungen an die astronomische Gemeinschaft weitergegeben. Ergänzt werden sie durch „Rezept­bücher“ und gezielte Auswertungen, die zukünftige Beobachtungs­planung erleichtern sollen.

In einer Reihe von fünf Artikeln, die in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurden, können sich Astronomen im Rahmen dieses Programms jetzt von der Leistungsfähigkeit des JWST bei der Untersuchung der Atmosphären von Exoplaneten überzeugen. Die Beobachtungen sind Teil des von Batalha geleiteten Transiting Exoplanet Community Early Release Science Program und konzentrieren sich auf den Planeten WASP-39b. Der Planet ähnelt von der Masse her dem Saturn in unserem Sonnensystem, wenn auch mit aufgeblähterer Atmosphäre; er umkreist einen Stern, der nur etwas weniger Masse hat als die Sonne. Das gesamte System befindet sich in einer Entfernung von etwa 700 Lichtjahren von der Erde.

Für die jetzt veröffentlichten Beobachtungen sind Exoplaneten­transits entscheidend. Exoplaneten sind normalerweise zu weit entfernt, als dass wir bei solcher Gelegenheit im Detail sehen könnten, wie die kleine dunkle Scheibe des Planeten vor der hellen Scheibe des Sterns vorbeizieht. Was man jedoch beobachten kann, sind Helligkeits­veränderungen. Schließlich bewegt sich der Planet ja beim Transit vor seinen Stern und schattet damit einen Teil des Sternenlichts ab. Die Astronomen nutzten das JWST, um von Mitte bis Ende Juli 2022 vier verschiedene Transits von WASP-39b zu beobachten. Dabei kamen drei der vier wissenschaftlichen Instrumente des Weltraum­teleskops zum Einsatz: NIRCam und NIRISS für jeweils einen Transit, und außerdem noch zwei Transits, die mit zwei verschiedenen Betriebsarten von NIRSpec beobachtet wurden. Als Teil eines europäischen Konsortiums hat das MPIA in Heidelberg einen direkten Bezug zu der Hardware, die hier zu Einsatz kam: die Mechanismen der Filter- und Gitterräder, mit denen NIRSpec das Licht in die verschiedenen Wellenlängen aufteilt, wurden am MPIA gefertigt.

Bei den Helligkeits­schwankungen gibt es eine zusätzliche Besonderheit. WASP-39 b besitzt eine vergleichsweise dichte Atmosphäre. Könnte man die Details der Planetenscheibe während eines Transits vor dem Hintergrund der Sternscheibe sehen, würde man deswegen die dunkle Planetenscheibe sehen, umgeben von einem dünnen farbigen Ring, mit dem sich das durch die Planeten­atmosphäre gefilterte Sternenlicht bemerkbar macht.

In der farbigen Zone hängt die Abschwächung des Sternenlichts von der Wellenlänge des Lichts ab, bei der wir das System beobachten. In Studien wie den hier beschriebenen beobachtet JWST den Transit nicht durch Filter, sondern setzt stattdessen Spektroskopie ein, um den Transit gleich in jedem Wellenlängen­bereich separat zu beobachten. Dabei wird für einen breiten Bereich von Infrarot-Wellenlängen dokumentiert, wie stark die Helligkeit bei jeder Wellenlänge während des Transits zurückgeht.

Durch den Vergleich solcher spektroskopischen Beobachtungen mit Modellen der Planetenatmosphäre gewonnen die Astronomen eine Fülle von Informationen. Die erste war eine detaillierte Auflistung bestimmter Moleküle, die in der Atmosphäre vorhanden sind. Im August hatte das Team bereits den Nachweis von Kohlendioxid in der Atmosphäre von WASP-39b veröffentlicht, den ersten sicheren Nachweis dieses Moleküls in einer Exoplaneten­atmosphäre.

Die jetzt veröffentlichten Arbeiten fügen eine Reihe von entscheidenden weiteren Informationen hinzu. Eine damals noch rätselhafte Auffälligkeit im Spektrum entpuppte sich als Schwefeldioxid – wiederum der erste Nachweis dieser Substanz in einer Exoplaneten­atmosphäre. Damit lässt sich erstmals die Photochemie von Exoplaneten beobachten: Schwefeldioxidmoleküle, analog zum Ozon in der Erdatmosphäre, bilden sich, wenn die Außenbereiche der Exoplaneten­atmosphäre mit hoch­energetischen Photonen des Sternes wechselwirken. Dass WASP-39b so nahe an seinem Stern liegt (ein Achtel der Entfernung von Merkur zu unserer Sonne), macht ihn zu einem idealen Labor zur Erforschung dieser Art von Reaktionen.

Einige der Informationen lassen sogar Rückschlüsse auf die Entstehung des Planeten zu. Insbesondere das Verhältnis von Kohlenstoff zu Sauerstoff, Kalium zu Sauerstoff und Schwefel zu Wasserstoff deuten auf eine Entstehungs­geschichte hin, bei der kleinere Planetenvorstufen (Planetesimale) miteinander kollidiert sind und sich letztlich zu dem heutigen, recht großen Planeten zusammen­gefunden haben. Insbesondere das Kohlenstoff-Sauerstoff-Verhältnis, konkret dass Sauerstoff viel häufiger vorkommt als Kohlenstoff, deutet darauf hin, dass WASP-39b viel weiter entfernt von seinem Stern entstand und erst später auf seine jetzige, viel kleinere Umlaufbahn umgezogen ist.

Der Vergleich von Beobachtungen und Modellen gibt außerdem Aufschluss über die Wolken des Planeten: Es handelt sich um eine aufgelockerte Ansammlung von Wolken – die freilich bei den auf WASP-39b herrschenden hohen Temperaturen nicht aus Wasser, sondern aus Substanzen wie Sulfiden und Silikaten – und nicht um eine geschlossene Wolkendecke.

Diese Beobachtungen haben den Astronomen bereits einen detaillierteren Blick auf die Atmosphäre eines Exoplaneten ermöglicht als je zuvor. Das weckt Erwartungen auf viele weitere, zukünftige Entdeckungen mit ähnlichen Beobachtungen. Und genau solche Entdeckungen soll das hier durchgeführte Programm schließlich auch fördern. Deswegen stellen die Astronomen ein Rezept für die Datenanalyse ihres Datensatzes zur Verfügung und dokumentieren ausführlich ihre Erfahrungen mit dem JWST in diesem speziellen Beobachtungs­modus. Das sollte es anderen Beobachtern ermöglichen, das JWST ebenfalls für Transitbeobachtungen dieser Art zu nutzen. Außerdem ist es ein Testlauf für die Beobachtungstechniken, die bei dieser Art der Suche nach Leben auf anderen Planeten genutzt werden würden.

MPIA / DE

 

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