17.01.2020

Eine offene Gesellschaft feiern

Eine Festveranstaltung im Berliner Magnus-Haus bildete am 14. Januar den Auftakt zum Jubiläumsjahr der DPG.

Am 14. Januar 1845 gründeten sechs junge Wissenschaftler aus dem Physikalischen Kolloquium von Gustav Magnus im Berliner Kadettenhaus die Physikalische Gesellschaft zu Berlin (PGzB). Damit stellt diese die Keimzelle für die heutige Deutsche Physikalische Gesellschaft mit ihren rund 55.000 Mitgliedern dar. Der 175. Jahrestag war Anlass für eine Festveranstaltung im Magnus-Haus Berlin, die den Auftakt bildete zum Jubiläumsjahr. Zahlreiche Veranstaltungen sollen in den kommenden zwölf Monaten insbesondere die Bedeutung der Physik in der Gesellschaft und für die Gesellschaft – so das Motto – herausstellen. Die vier Quartalsthemen „Physik als Naturerkenntnis“, „Physik und Bildung“, „Physik und Information“ sowie „Energie und Klima“ bilden die thematischen Schwerpunkte in diesem Jahr. Vier junge ehemalige Preisträgerinnen und Preisträger der PGzB hielten bei der Veranstaltung Kurzvorträge, um die Bedeutung dieser Themen für die Gesellschaft zu verdeutlichen.

Nach einer musikalischen Einstimmung begrüßte Martin Wolf, Vorsitzender der PGzB, die Gäste im Magnus-Haus und hob gleichzeitig dessen Bedeutung als wichtigen Ort der wissenschaftlichen Begegnung hervor. Zudem ging Wolf auf die Sonderrolle der PGzB innerhalb der DPG ein: „Die PGzB ist stolz auf ihre Tradition und Rolle als Keimzelle und Mutter der DPG.“ In den letzten 20 Jahren habe die DPG als weltweit größte physikalische Gesellschaft ein beeindruckendes Portfolio entwickelt und sich nach außen hin geöffnet. Die DPG stehe nicht mehr nur für wissenschaftliche Werte, für Vernetzung und Tradition, sondern auch für Offenheit und Toleranz. „Physik verbindet. Auf diese Entwicklung können wir stolz sein“, resümierte Martin Wolf.

Ein launiges Grußwort hielt der Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Martin Grötschel, der zunächst die spitzfindige Frage stellte, was denn die Physik sei. Denn zur Vorbereitung auf seine Rede hatte er versucht herauszufinden, wie viele Physikerinnen und Physiker schon Mitglieder der Akademie gewesen sind. Die Antwort: 275 unter rund 3500 Mitgliedern bis 1990. Allerdings war die Zuordnung alles andere als eindeutig, da viele Mitglieder ganz unterschiedlichen Bereichen zugeordnet waren. „Auch Immanuel Kant war der Physik zugeordnet. Aber würden Sie ihn als Physiker bezeichnen? Wohl kaum“, meinte Grötschel.

Christian Forstner von der Universität Jena und Vorsitzender des Fachverbands Geschichte der Physik präsentierte in seinem Festvortrag die wichtigsten Meilensteine der 175-jährigen Geschichte der DPG. Diese war demnach stets geprägt von den äußeren politischen Umständen, beispielsweise von der Deutschen Revolution oder vom Kaiserreich, in welchem ein Siegeszug der Physik einsetzte, der sie zu einer Leitwissenschaft werden ließ.

1899 erfolgte die Umbenennung in Deutsche Physikalische Gesellschaft. Die Zahl auswärtiger Mitglieder stieg an, und diese nicht in Berlin lebenden Mitglieder bemühten sich um stärkeren Einfluss. So trieben Wilhelm Wien und Wilhelm Hallwachs bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs die Regionalisierung der DPG voran. 1919 wurde Arnold Sommerfeld der erste Nicht-Berliner Vorsitzende der DPG. In seiner Amtszeit gründeten sich mit den Gauvereinen die regionalen Strukturen der DPG.

Während der NS-Zeit propagierten insbesondere Philipp Lenard und Johannes Stark eine „saubere Physik“. 1938 verschickte die DPG auf Druck einzelner Mitglieder ein Rundschreiben an ihre jüdischen Mitglieder und forderte sie zum Austritt auf. 1939 wurde die Satzung geändert, um die jüdischen Mitglieder auszuschließen. Die DPG habe diese Geschichte während der NS-Zeit intensiv aufgearbeitet, so Forstner. „Dieser offene Umgang zeichnet die DPG aus.“

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurden in Ost und West regionale Gesellschaften gegründet, aus denen 1950 der Verband Deutscher Physikalischer Gesellschaften (VDPG) hervorging und zwei Jahre später die Physikalische Gesellschaft in der DDR. Ab 1963 nannte sich der VDPG wieder Deutsche Physikalische Gesellschaft, die sich nach der Wiedervereinigung am 20. November 1990 mit der Physikalischen Gesellschaft in der DDR zusammenschloss.

Die moderne DPG hat sich zur größten Fachgesellschaft weltweit entwickelt mit ihren etablierten Frühjahrstagungen und vielen verschiedenen Programmen und Veranstaltungen. Dass die DPG sich als offene Gesellschaft versteht, zeigen unter anderem die Aktionen „Physik ist weltoffen“ und „Science bridges cultures“, aber auch die Satzung. Der zufolge dient die DPG ausschließlich und unmittelbar der Physik und verpflichtet sich und ihre Mitglieder, für Freiheit, Toleranz, Wahrhaftigkeit und Würde in der Wissenschaft einzutreten. „Diese offene Gesellschaft lassen Sie uns feiern“, forderte Christian Forstner auf.

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Die Auftaktveranstaltung bot auch Gelegenheit, einen Blick in die Zukunft zu wagen. Bei den großen Herausforderungen wie Energiewende, Klimawandel, Einzug von Big Data, Künstliche Intelligenz oder Quantentechnologie sieht DPG-Präsident Dieter Meschede die Rolle der DPG darin, wichtige Entwicklungen möglichst gesamtheitlich zu analysieren und sich mit Geduld sowie Sachverstand in große Debatten einzumischen. Zum Schluss lud Meschede zum Aufbruch in die nächsten 25 Jahre ein und dabei, leidenschaftlich über neueste Forschungsergebnisse zu diskutieren und jungen Leuten den Weg in die Physik zu ebnen.

Maike Pfalz

 

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