20.10.2005

Physik für Poeten

Danielsson

Ulf Danielsson, theoretischer Physiker an der Universität Uppsala, erzählt auf sehr unterhaltsame Weise, wie Menschen über erstaunliche Beobachtungen in der Natur nachdenken. Auf lange Erklärungen verzichtend, beschreibt er das stetig wachsende Verständnis der Welt und skizziert so eine flüssig lesbare Geschichte der Physik. Von antiker Sternenbeobachtungskunst über neuzeitliche Astronomie von Planeten und Kometen bis zu den heutigen phantastischen Erkenntnissen über Quasare und Schwarze Löcher spannt sich der Bogen, ebenso wie von den Farben des Lichtes über atomare Strahlung bis zu dem verwirrenden Verhalten subatomarer Teilchen.

Persönliche Erfahrungen des Sterne­guckens, Anekdoten bekannter Wissenschaftler sowie Sagen und Mythen verbindet er mit heutigen Erklärungen natürlicher Vorgänge. Angenehm ist, dass er darauf verzichtet, von einer höheren Warte auf längst verworfene Theorien hinunterzublicken, sondern stets das Bemühen um eine vernünftige Weltanschauung ohne Aberglauben, um eine rationale Bewältigung überraschender Beobachtungen in den Vordergrund stellt. Wichtig ist ihm die Faszination des eigenen Beobachtens, Fragens und Verstehens.

Wer eine detaillierte historische Darstellung von diesem Buch erwartet, wird enttäuscht sein. Vieles ist bereits woanders beschrieben worden - vielleicht nur nicht so spannend. Quellenangaben und Register sowie Formeln und Figuren fehlen völlig, um den Erzählfluss nicht zu stören.

Irreführend ist vielleicht der Titel: Mit Literatur und Gedichten hat das Buch wenig zu tun. Kurze Textpassagen von Shakespeare, Goethe oder Proust beschränken sich auf wenige Zitate, die nur zur anekdotischen Illustration dienen, nicht aber zu einer ernsthaften Auseinandersetzung, wie physikalische Erkenntnisse von Poeten aufgegriffen wurden. Die "Poesie" im Titel bezieht sich daher auf die stilistische Qualität des Buches, weniger auf dessen Inhalt.

Etwas unbefriedigend bleibt die Auswahl der beschriebenen Phänomene: Die Physik der kondensierten Materie kommt nahezu nicht vor, da von den Sternen gleich zu den Atomen gesprungen und die Ausdifferenzierung der Materie in Formen und Funktionen, in die Vielfalt der Biosphäre und der menschlichen Technik übergangen wird. Dies ist ziemlich verwunderlich, da Physik den meisten Menschen vor allem in der Küche, beim Autofahren, Musikhören oder Schwimmen begegnet. Die grandiose Geschichte des Naturverstehens von der frühen Materialwissenschaft der Eisenzeit über Archimedes Einsichten in das Verhalten von Flüssigkeiten, bis zum heutigen Verständnis der Formenvielfalt durch Phasenübergänge und Selbstorganisation ist aber ausgespart. Insofern ist auch "Physik" im Titel nur mit Einschränkungen zu verstehen.

Prof. Dr. Klaus Mecke, Institut für Theoretische Physik, Universität Erlangen-Nürnberg

Weitere Infos:

U. Danielsson:
Physik für Poeten
List Verlag, Berlin 2004. 319 S., Geb.,
ISBN 3-471-77353-3

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