02.10.2018

Ludwig Prandtl

M. Eckert: Ludwig Prandtl - Strömungsforscher und Wissenschaftsmanager, Springer, Berlin, Heidelberg 2017, brosch., 412 S., 29,99 €, ISBN 9783662499177

M. Eckert

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Der Wissenschaftshistoriker Michael Eckert ist insbesondere durch seine bedeutende Biographie von Arnold Sommerfeld ausgewiesen. Nun legt er eine nicht weniger tiefgehende Vita des Pioniers der Strömungsmechanik Ludwig Prandtl vor. Für Eckert steht eine Lebensdarstellung immer am Ende einer intensiven historischen Forschung zu den entsprechenden wissenschaftlichen Bereichen, im Falle Prandtls sein Buch „The Dawn of Fluid Dynamics“ (vgl. Physik Journal, Oktober 2006, S. 56). Daher geht es ihm hier vor allem darum, die wissenschaftliche Leistung mit den Lebensumständen und per­sönlichen Entscheidungen in Beziehung zu setzen.

Prandtl wollte immer mehr sein als ein bloßer Ingenieur und die Probleme der Strömungsmechanik oder der Turbulenz nicht nur technisch beherrschen, sondern theoretisch durchdringen. Das führte ihn etwa zur Grenzschichttheorie, seiner wohl bedeutendsten Errungenschaft. Diese Verbindung von Theorie und praktischer Anwendung für die Tragflügelkonstruktion in der frühen Aeronautik, aber auch für die Aerodynamik von Bomben im Ersten Weltkrieg, lassen Prandtls Leben zu einer spannenden Fallstudie zur Wechselwirkung von Wissenschaft und Technik geraten. Daneben war er treibende Kraft für die institutionelle Entwicklung von den ersten Versuchsanstalten über das Kaiser-Wilhelm-Institut für Strömungsforschung bis zu den militärischen Institutionen im Zweiten Weltkrieg. Hier wird das Dilemma Prandtls deutlich: Finanzierung und damit Fortschritte in der Strömungsforschung geschahen auf der Grundlage militärischer Inanspruchnahme und persönlicher Selbstmobilisierung. Loyalität gegenüber einem verbrecherischen System, Beteiligung an Rüstungsforschung teilweise mit Zwangsarbeitern, Annahme von Ehrungen durch NS-Organisationen und freiwillige Verbreitung ihrer Propaganda an ausländische Kollegen, das alles waren auch Entscheidungen, die diese Biographie mit den wissen­schaftlichen Ideen und Leistungen zu verbinden sucht.

Ob es möglich ist, einen „unverstellten Blick“ auf Prandtls Leben zu erreichen (wie der vom Verlag stammende Untertitel behauptet), sei dahingestellt. Sowenig wie Aero­dynamik im luftleeren Raum gelingt, sowenig entwickelt sich moderne Wissenschaft in einem solchen. Dies kann man aus der hervorragenden Prandtl-Biographie lernen.

Priv.-Doz. Dr. Arne Schirrmacher, Institut für Geschichtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin

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