19.05.2020

Vielseitiger Rechenknecht

Karlsruher Institut für Technologie erhält neuen Hochleistungsrechner für viele Fachgebiete.

Von der Energiewende zu neuen Materialien, von der Astrophysik zu den Lebenswissenschaften: Um natürliche und technische Vorgänge in ihrer ganzen Komplexität zu verstehen, nutzen Forscher die schnellsten Hochleistungs­rechner der Welt. Ab Herbst 2020 stellt das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) die erste Aufbaustufe eines neuen Supercomputers für viele Fachgebiete bereit. Das Gesamtsystem wird im Sommer 2021 der Wissenschaft übergeben. Der nun unterzeichnete Liefervertrag hat eine Größenordnung von 15 Millionen Euro.
 

Abb.: Der Hochleistungs­rechner Karlsruhe (HoreKa) wird ab 2021 vielen...
Abb.: Der Hochleistungs­rechner Karlsruhe (HoreKa) wird ab 2021 vielen Forschungs­gebieten als Werkzeug dienen, um komplexe Systeme zu verstehen. (Bild: SCC / KIT)

„Forschung mit Supercomputern trägt zu einer modernen und nachhaltigen Gesellschaft bei“, erklärt Holger Hanselka, Präsident des KIT. „Mit der Hilfe von Hoch­leistungs­rechnern kommt die Forschung zu Energie, Umwelt, Mobilität und Medizin schneller zu neuen Lösungen. Damit fügt sich der HoreKa perfekt in die Strategie des KIT ein, Beiträge zu gesellschaftlichen Heraus­forderungen zu liefern.“

Der neue „Hochleistungs­rechner Karlsruhe“ (HoreKa) wird 2021 voraussichtlich zu den zehn leistungs­fähigsten Rechnern Europas gehören und eine Rechenleistung von rund 17 PetaFLOPS erbringen – also etwa 17 Billiarden Rechen­operationen in der Sekunde, was der Leistung von mehr als 150.000 Laptops entspricht.

Das System wird Wissenschaftlern aus ganz Deutschland zur Verfügung stehen. Vor allem in den Material­wissenschaften, den Erdsystem­wissenschaften, der Energie- und Mobilitäts­forschung im Ingenieurwesen, den Lebens­wissenschaften, sowie der Teilchen- und Astro­teilchen­physik werden Forschende dank des neuen Supercomputers ein detaillierteres Verständnis hoch­komplexer natürlicher und technischer Vorgänge erlangen können. Selbstverständlich kann HoreKa bei Bedarf auch von Wissenschaftlern genutzt werden, die zum Verständnis des Virus SARS-CoV-2 forschen und damit zur Bekämpfung der Krankheit COVID-19 beitragen.

Mit HoreKa können Forschende mehr Details in größeren Systemen betrachten, normale Simulationen also zu sogenannten Multiskalen-Simulationen ausweiten. „Klima­simulationen und Erdsystem­modelle etwa werden immer feinere Auflösungen und damit einen höheren Detailgrad erreichen“, erklärt Martin Frank, Direktor des Steinbuch Centre for Computing (SCC) des KIT. „Doch neben der reinen Rechenleistung steigen auch die Anforderungen an die Dateisysteme immer weiter, sowohl was Kapazität als auch Latenz angeht. Mit einem datenhungrigen System wie HoreKa setzen wir konsequent die strategische Ausrichtung des SCC auf daten­intensives Rechnen fort.“

„Es gibt derzeit sehr diverse technische Entwicklungen auf dem Hardware-Markt“, so Jennifer Schröter, die Leiterin des Bereichs High Performance Computing am SCC. „Unsere technischen Anforderungen waren anspruchsvoll, aber das Aus­schreibungs­verfahren war bewusst technologie­offen gehalten, um das Know-how der Bieter einzufordern und das leistungsfähigste Gesamtsystem zu erhalten.“

Herausgekommen ist ein innovatives Hybrid-System mit fast 60.000 Intel Xeon Scalable Prozessorkernen der nächsten Generation und mehr als 220 Terabyte Hauptspeicher sowie 740 NVDIA A100 Tensor Core GPUs der nächsten Generation. Als Kommunikations­netzwerk kommt ein non-blocking NVIDIA Mellanox InfiniBand-HDR-Netzwerk mit 200 GBit/s pro Port zum Einsatz, als Datenablage dienen zwei parallele Spectrum-Scale-Dateisysteme mit einer Gesamt­kapazität von mehr als 15 Petabyte. Die Rechner­systeme stammen von Lenovo, das Unternehmen pro-com Datensysteme GmbH aus Eislingen bei Stuttgart übernimmt als General­unternehmer die Projekt­koordination, System­integration, Lieferung und Kundenbetreuung.

„Wir freuen uns sehr darauf, dieses System gemeinsam mit unseren Partnern Lenovo und KIT in Betrieb nehmen und an die Benutzer übergeben zu können“, sagt Oliver Kill, Geschäftsführer des Unternehmens pro-com. Mit HoreKa feiert pro-com im Jahr 2020 nicht nur das 30-jährige Bestehen, sondern auch den größten Auftrag in der Firmengeschichte.

„Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen können die Forschung in allen Anwendungsfeldern, also dort wo die drängenden Probleme der Menschheit gelöst werden, auf die Überholspur setzen“, so Marc Hamilton, Vice President Solutions Architecture and Engineering bei NVIDIA. „NVIDIA A100 Tensor Core GPUs unterstützen diese Forschung, und gemeinsam mit der NVIDIA Mellanox InfiniBand-Technologie wird der neue Supercomputer des KIT die Forschung in einem breiten Spektrum von Anwendungen deutlich beschleunigen.“

Ein zentraler Gesichtspunkt bei der Auslegung des Systems waren auch die enormen Datenmengen, welche bei wissenschaftlichen Forschungs­projekten anfallen. Je nach Anwendung können von einer einzigen Simulation mehrere Hundert Terabyte an Daten erzeugt werden. Um mit den wachsenden Datenmengen Schritt zu halten, liefern die Rechenknoten, das InfiniBand-Netzwerk und die parallelen Dateisysteme von HoreKa im Vergleich zum Vorgänger­system ForHLR jeweils einen bis zu vier Mal höheren Speicher­durchsatz.

Eine mehrstufige Datenhaltung soll zusätzlich die Weiter­verarbeitung auf externen Speicher­systemen mit hohem Durchsatz garantieren. HoreKa ist auch mit bis zu 45 GByte/s Datenrate an die „Large Scale Data Facility“ (LSDF) des SCC angebunden, die seit 2010 eine moderne Infrastruktur für die Speicherung, Verwaltung, Archivierung und Analyse von Forschungs­daten bietet.

HoreKa wird vollständig im 2015 für den Vorgänger ForHLR neu errichteten Rechner­gebäude auf dem Campus Nord des KIT untergebracht. Das preisgekrönte, energie­effiziente Heißwasser-Kühlkonzept basierend auf der Lenovo Neptune Direct Water Cooling (DWC) Technologie wird mit dem neuen System fortgeführt. Den Name HoreKa wählten die Mitarbeiter des SCC in Anlehnung an „GridKa“, dem „Grid Computing Centre Karlsruhe“. Dieses befindet sich ebenfalls am SCC und stellt seit mehr als 15 Jahren erfolgreich Datenspeicher und Analyse­kapazitäten für Groß­experimente auf der ganzen Welt bereit, darunter auch den Large Hadron Collider (LHC) am CERN in der Schweiz. Zu den größten Erfolgen von GridKa gehört die Beteiligung bei der Entdeckung des Higgs-Teilchens im Juli 2012. GridKa ist das größte und leistungsfähigste Zentrum seiner Art.

KIT / DE
 

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