04.04.2019

Ventil für Schall und Wärme

Optomechanische Kopplung steuert Richtung von akustischen und thermischen Energieflüssen.

Akustische Resonatoren finden sich in Musikinstrumenten und in den Abgasrohren von Autos. Die aus diesen Klangkörpern emittierten Schallwellen breiten sich normalerweise reziprok aus, also unabhängig von der Richtung. Doch diese Reziprozität lässt sich brechen, um akustische Energie zwischen zwei Resonatoren nur in eine Richtung fließen zu lassen. Dieses Kunststück einer Einbahnstraße für Schall gelang nun Physikern von der amerikanischen Yale University in New Haven. Die gerichtete Ausbreitung gelang nicht nur für akustische, sondern auch für thermische Energie. Auf dieser Basis könnten so auch ausgeklügelte Kühlmethoden entwickelt werden.
 

Abb.: Konzept einer Einbahnstraße für Schall, in der sich mit Laserlicht die...
Abb.: Konzept einer Einbahnstraße für Schall, in der sich mit Laserlicht die Schwingungen einer Membran zwischen zwei Spiegeln kontrollieren lassen. (Bild: Harris Lab, Yale U.)

Grundlage für ein solches Ventil für Schall und Wärme bildet die Kopplung von Gitterschwingungen in einem Kristall. Diese Phononen lassen sich sowohl mechanisch als auch optisch anregen. Im freien Raum hat Licht zwar keinen Einfluss auf die Ausbreitung von Schallwellen, doch in einem Kristall kann eine Kopplung auftreten. Diese Kopplung nutzten Jack Harris und seine Kollegen für die Konstruktion ihrer Einbahnstraße für Schall oder auch einen Wärmefluss. Erfolgreich konnten sie die Reziprozität über eine optomechanische Wechselwirkung in einer Kavität aufbrechen.

Die Physiker setzten dazu eine Membran aus kristallinem Siliziumnitrid in ein Fabry-Perot-Interferometer zwischen zwei Spiegel. Die Membran war nur fünfzig Nanometer dick und etwa einen Quadratmillimeter groß. In diesem Material ließen sich sowohl mit Schall und Wärme als auch mit Licht Gitterschwingungen anregen, die sich durch das Kristallgitter fortpflanzten. Diese akustischen und optischen Phononen konnten abhängig von Frequenz und Phase der Anregungen miteinander wechselwirken. 

Harris und Kollegen kühlten den optischen Hohlraum mit der Siliziumnitrid-Membran stark ab, um Störeffekte durch Wärme zu vermeiden. In der Membran konnten sie nun mit Schallwellen akustische Phononen und mit Laserlicht, das von den beiden Spiegeln reflektiert wurde, optische Phononen anregen. Durch die exakte Abstimmung der Frequenzen und Phasen von Schall- und Lichtwellen traten Interferenzeffekte auf. Die Folge: Schallwellen konnten von einer Seite durch die Membran dringen, wurden aus der anderen Richtung jedoch blockiert. Über die Einstellungen des Laserlichts ließ sich diese Blockade auf Wunsch aufheben oder auch umkehren. „Im Detail haben wir zwei akustische Resonatoren. Schall aus dem einen Resonator kann zu dem anderen durchdringen, aber nicht in umgekehrter Richtung“, sagt Harris. 

Diese optomechanische, durch Laserlicht kontrollierte Kopplung funktioniert auch für Schwingungen, die durch Wärme verursacht werden. „Mit dieser Einbahnstraße für Schall können wir auch Wärme von A nach B oder umgekehrt von B nach A fließen lassen“, sagt Harris. „Ganz unabhängig davon, welche Seite kälter oder wärmer ist.“ Harris vergleicht diesen Effekt mit einem Eiswürfel in heißem Wasser. Dank des Einbahnstraßen-Effekts könnte der Eiswürfel sogar weiter abgekühlt und das Wasser stärker erwärmt werden. Dieses thermodynamisch ungewöhnliche Phänomen ließe sich in ausgeklügelten Experimenten zur gezielten Kühlung winziger Proben in einer warmen Umgebung einsetzen. Eine praktische Anwendung dieser Technologie für Schallwellen, mit der jemand unbemerkt belauscht werden könnte, ohne Geräusche vom Abhörenden zu hören, erscheint wegen des hohen Aufwands eher unwahrscheinlich.

Jan Oliver Löfken
 

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