26.04.2021

Über den Wolken

Solarbetriebenes, unbemanntes Stratosphärenflugzeug soll Erdbeobachtung und Kommunikation erleichtern.

Erdbeobachtung und globale Kommunikation – zwei Begriffe, die einen sofort an Satelliten denken lassen. Bau und Positionierung sind teuer und am Ende kann Weltraum­schrott zurückbleiben. Aber auch Flugzeuge oder Hubschrauber sind für diese Aufgabe nicht ideal. Ihr Einsatz ist zeitlich und örtlich begrenzt und stark wetter­abhängig. Ein Team des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) erforscht und entwickelt deshalb ein unbemanntes und solarbetriebenes Stratosphären­flugzeug für zukünftige wissenschaftliche Experimente, das die Vorzüge von Raumfahrt und Luftfahrt vereint.
 

Abb.: Design-Studie HAP alpha (Bild: DLR, CC-BY 3.0)
Abb.: Design-Studie HAP alpha (Bild: DLR, CC-BY 3.0)

HAP alpha – so nennen die Wissenschaftler den von ihnen entwickelten Technologie­träger. „HAP steht für High Altitude Platform“, erklärt Florian Nikodem vom DLR-Institut für Flugsystem­technik. „Es handelt sich dabei um meist solarbetriebene Plattformen, die dauerhaft in der unteren Stratosphäre auf einer Höhe von etwa zwanzig Kilometern stationiert werden.“ Damit fliegen sie weit über dem zivilen Luftverkehr und dem Wetter­geschehen. Sie können an beliebigen Orten positioniert und, je nach Ausstattung, für unterschiedlichste Missionen eingesetzt werden, ausreichend Sonnen­energie vorausgesetzt. Außerdem sind sie, erst einmal in der unteren Stratosphäre angekommen, unabhängig vom Wettergeschehen und ohne Mannschaft an Bord auch unabhängig von Einsatzdauern. Das haben sie klassischen Luft­fahrtzeugen voraus.

HAP alpha soll mit fünf Kilogramm Nutzlast auf zwanzig Kilometer Flughöhe aufsteigen, dort allerdings noch nicht für längere Zeit stationiert werden können. Die Plattform ist robust und modular aufgebaut, so dass sie leicht angepasst und modifiziert werden kann. Ihre Spannweite von 27 Metern entspricht bereits der einer dauerflug­fähigen Variante. Das Gesamt­gewicht der Struktur beträgt 36 Kilogramm, das des vollständigen Flugzeugs 138 Kilogramm. „Das für die Größe geringe Gewicht erreichen wir durch extremen Leichtbau mit kohle­faser­verstärkten Kunststoffen“, erklärt Nikodem. „Hauptholm, Rumpf und Leitwerks­holme bestehen aus gewickelten CFK-Rundrohren. Diese sind sehr leicht und trotzdem stabil.“

Es ist aber nicht allein der solar­getriebene, unbemannte Demonstrator, den das Team im Projekt entwickelt. Auch eine Bodenstation, die operationellen Prozeduren und drei Nutzlasten, die von der Plattform getragen werden, sind Teil der wissenschaftlichen Forschungen. In der mobilen Bodenstation koordinieren die Wissenschaftler die Missionen und den Datenempfang. Sie ist in transportablen Containern angelegt und soll auf mehr als hundert Kilometer Entfernung Daten mit der HAP austauschen können. Die drei Nutzlasten, darunter das hoch­auflösende Kamera­system Macs-HAP (Modular Aerial Camera System-High Altitude Platform) und das Radar System Hapsar (High Altitude Platform Synthetic Aperture Radar), bieten eine Vielzahl von zukünftigen Einsatzmöglichkeiten. Insgesamt 17 DLR-Institute aus den Bereichen Luftfahrt, Raumfahrt, und Sicherheit arbeiten unter der Leitung des Braunschweiger Instituts für Flugsystem­technik zusammen an HAP alpha.

Im April 2019 hat das Team gezeigt, dass die aufgestellten System­anforderungen und das Konzept-Design geeignet sind, um die Projektziele zu erreichen. Es folgte das Preliminary Design Review (PDR). Dort zeigten die Wissenschaftler mit dem vorläufigen Design der Plattform, dass alle System­anforderungen mit vertretbarem Risiko und innerhalb der Kosten- und Termin­vorgaben erfüllt werden. So bildet es die Grundlage für die weitere Vorgehens­weise bei der Detailplanung und zeigt, dass die richtigen Design­optionen ausgewählt, Schnittstellen identifiziert und Verifikations­methoden beschrieben wurden. Aktuell bereiten die Forscher das nun folgende Critical Design Review vor. Dabei wird geprüft, ob das detaillierte Design die Projektziele erreichen kann. Im Anschluss daran können sie die Einzel­komponenten produzieren und zusammenbauen. So entsteht nach umfangreichen Tests der Demonstrator HAP alpha.

Ende 2022 soll HAP alpha zum ersten Mal abheben. Dabei sind zunächst Testflüge in niedriger Höhe über dem Gelände des Nationalen Erprobungs­zentrums für unbemannte Luft­fahrzeuge in Cochstedt geplant. Die Flughöhe wird dort einige hundert Meter betragen. Nach erfolgreichen Tests in niedriger Höhe wird HAP alpha in weiteren Höhenflug­kampagnen nach und nach die Zielhöhe von zwanzig Kilometern erfliegen. „Anders als bei den ersten Erprobungs­flügen in Cochstedt, bei denen die eigentliche Versuchs­dauer nur wenige Stunden betragen wird, kann ein Höhenflug aufgrund der langsamen Flug­geschwindigkeit der HAP bis zu 24 Stunden dauern, auch wenn sich die Plattform nur etwa zwei Stunden auf zwanzig Kilometern Höhe aufhält“, erklärt Nikodem die Heraus­forderung zukünftiger Versuche. Dafür muss das Team mehrere Crews und deren Wechsel im Schichtbetrieb trainieren.

In solchen Höhenflügen kommen dann auch die verschiedenen Nutzlasten zum Einsatz. Mit jedem Test sammelt das Team Erfahrungen und kann die HAP so modifizieren, dass auch Dauerflüge möglich werden. Mit ausreichender Betriebs­sicherheit des Teams und der Plattform in der Höhe ließe sich das Stratosphären­flugzeug als Versuchs­träger für Nutzlasten einsetzen. Und auch neue plattform­spezifische Technologien, wie beispielsweise der Einsatz der HAP als Knoten­punkt für die digitale Kommunikation als Unterstützung für ein 5G-Netz, werden dann möglich.

DLR / DE
 

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