16.09.2021

Tagungen mit Tradition

Die DPG-Jahrestagungen blicken auf eine hundertjährige Geschichte zurück. Dies diesjährige Jahrestagung findet ausschließlich online statt.

Die jährlichen Tagungen sind ein Herzstück der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG). Als Ort des wissenschaftlichen Austausches zu physikalischen, aber auch gesellschaftlichen Fragestellungen sind sie unverzichtbar, erst recht für den wissenschaftlichen Nachwuchs.

Durch die Absagen der DPG-Frühjahrstagungen 2020 ist der DPG ein erheblicher Verlust an wissenschaftlichem Austausch, auch auf internationalem Niveau, entstanden. Ziel der DPG ist es, im Jahr 2021 diesen für die Wissenschaft so wichtigen Austausch durch Tagungen wieder ermöglichen zu können.

Die ursprünglich für das Frühjahr 2021 geplanten Präsenztagungen der Sektionen SKM, SAMOP und SMuK wurden bedingt durch die COVID-19-Pandemie in den Spätsommer bzw. Herbst 2021 verschoben. Zum Bedauern der Organisatoren können auch diese Tagungen nicht in Präsenz, sondern nur im virtuellen Format stattfinden.

Der intensive wissenschaftliche Austausch, auch über die Grenzen des eigenen Faches hinaus, steht bereits am Anfang der am 14. Januar 1845 von vier jungen Physikern und zwei jungen Physiologen gegründeten ,,Physikalischen Gesellschaft zu Berlin", aus der am 6. Januar 1899 die Deutsche Physikalische Gesellschaft hervorging. Größere Treffen fanden schließlich im Rahmen der Tagungen der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte (GDNÄ) statt, die im kommenden Jahr ihr 200-jähriges Bestehen feiern kann.

Als die GDNÄ sich im Jahr 1920 entschloss, nur noch alle zwei Jahre zu tagen, veranlasste dies die DPG in den Zwischenjahren eine „Wanderversammlung“ abzuhalten. Vom 18. bis 24. September 1921 trafen sich rund 700 Wissenschaftler in Jena zum ersten Deutschen Physiker- und Mathematikertag – in historisch schwierigen Zeiten für Deutschland wie auch die DPG selbst. Die Tagung wurde von der DPG mit der Deutschen Gesellschaft für Technische Physik ausgerichtet.

Das Treffen im Rahmen der GDNÄ-Tagung 1920 in Bad Nauheim, das erste nach dem Ersten Weltkrieg, war von ambivalenter Bedeutung für die Physik, wie der Wissenschaftshistoriker Arne Schirrmacher erläutert: „Wenn von der 86. Naturforscherversammlung von 1920 die Rede ist, steht meist nur die Debatte zwischen Albert Einstein und Philipp Lenard im Mittelpunkt. Die Bedeutung des ersten großen Treffens der Physiker nach dem Ersten Weltkrieg ging aber für die Physik weit darüber hinaus. Wie in einem Brennglas bündeln die Sitzungen und Diskussionen wesentliche Elemente einer folgenreichen Neuausrichtung der Physik.“ Das betraf vor allem die neue Generation an Physikern und auch Physikerinnen, welche den Weg zur modernen Quantenmechanik prägen sollten.

Innerhalb der DPG gab es diverse Streitigkeiten zwischen dem Berliner Teil der Gesellschaft und anderen Gauvereinen, die auch deutlich konservative, nationalistische und auch antisemitische Tendenzen zeigten. Letztlich ging es um die Frage, wer in der DPG den Ton angibt. Bereits vor der Machtergreifung durch Nationalsozialisten hatten vielen Physiker in Deutschland Vorbehalte gegen die großstädtische „Berliner Physik“ als zu modern und „zu jüdisch“. Daher ist es bei genauerer Betrachtung kein Ruhmesblatt, dass es ausgerechnet dem überzeugten Antisemiten Max Wien gelang, die Tagung nach Jena zu holen. Wie ausgeprägt dessen antisemitische Haltung war, dokumentiert der Wissenschaftshistoriker Stefan L. Wolff in seinem Artikel über den Vetter des Physik-Nobelpreisträgers Wilhelm Wien.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Deutsche Physikalische Gesellschaft 1963 in Hamburg wiederbegründet. Die Tagungen wurden zunehmend vom Herbst auf das Frühjahr verlegt und wegen der schieren Masse an Teilnehmenden immer öfter nach physikalischen Disziplinen auf mehrere Tagungsorte aufgeteilt. Wegen der Kriegswirren fielen auch mehrere Tagungen aus, daher beginnt in wenigen Tagen am 27. September 2021 erst die 84. Jahrestagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft – und somit fast genau einhundert Jahre nach der ersten, nicht unproblematischen eigenen Tagung. Dass eine Tagung auch in einem virtuellen Raum über große Distanzen stattfinden kann, hätte sich vor einhundert Jahren wohl niemand vorstellen können.

Auch virtuell wird es einen für die Öffentlichkeit kostenfrei zugänglichen Abendvortrag geben (siehe unten). Dieser wird am 23. September vom designierten DPG-Präsidenten und  diesjährigem Stern-Gerlach-Preisträger Joachim Ullrich (PTB) gehalten – zu einem Thema das gleichermaßen traditionell und hochmodern ist: „Messen und Wägen: Vom Urkilogramm zur Quantenphysik als das Maß aller Dinge“.

DPG / Physik Journal / Alexander Pawlak

 

Links zu den (virtuellen) DPG-Tagungen 2021

Zur Geschichte der DPG-Tagungen

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