07.04.2021

Spins am Tempolimit

Dopplereffekt begrenzt Geschwindigkeit von Magnonen.

Magnetische Isolatoren sind faszinierende Materialien, in denen der Elektronen­spin Ströme bilden kann, ohne dass ein elektrischer Strom benötigt wird. Solche Spin­ströme können zur Übertragung von Informationen genutzt werden. Nun berichtet ein Theorie-Team des MPSD, der Tianjin University (China) und der Tohoku University (Japan), dass ein universeller Doppler-Effekt den maximalen Spinstrom in magnetischen Isolatoren begrenzt, wenn sie durch Magnetfelder aus dem Gleich­gewicht gebracht werden. 
 

Abb.: Durch den Doppler-Effekt bewegen sich die angeregten Magnonen auf der...
Abb.: Durch den Doppler-Effekt bewegen sich die angeregten Magnonen auf der rechten Seite (rote Wellen) schneller als auf der linken Seite (blau), wenn die Magnonen an der Quelle (gelb) angeregt werden. (Bild: T. Yu / MPSD)

Dieses Phänomen stellt eine überraschende Parallele zu ähnlichen Prozessen in Supraleitern dar, die von elektrischen Feldern angetrieben werden. Es könnte ein grundlegendes Konstruktions­prinzip für zukünftige Nanogeräte mit Anwendungen in der Computer­wissenschaft und Energie­versorgung liefern. Wie winzige Kompass­nadeln zeigen die Spins ihrer Elektronen alle in eine Richtung und formen wellenartige Anregungen – die Magnonen. Magnonen bewegen sich fast ohne Widerstand durch elektrische Isolatoren, ohne die bei Ladungs­strömen auftretende Erwärmung. Große Magnonen­ströme sind ein hoch­effizienter Weg für die Übertragung von Informationen – ein Schlüsselziel der Spin­tronik. Dies macht spinbasierte Technologien so vielversprechend für Informations- und Kommunikations­technologien mit geringem Strom­verbrauch. 

Wenn sich jedoch viele Magnonen in die gleiche Richtung bewegen, stören sie sich gegenseitig und ihr Strom wird zähflüssig, wie Honig. Die Viskosität wächst mit der Stärke des Spinstroms und macht es den Magnonen zunehmend schwerer, sich zu bewegen. Dies wirft die Frage auf: Kann ein großer Spinstrom in einem Magneten überhaupt existieren und reibungslos fließen, wenn die Magnonen stark miteinander wechselwirken? 

Nun hat ein Theorieteam unter Leitung des MPSD ein fundamentales Tempolimit für Spinströme in magnetischen Isolatoren aufgedeckt und eine große Ähnlichkeit mit Ladungsströmen in Supraleitern festgestellt. Der Grund für dieses Tempolimit liegt im Doppler-Effekt. Dieser lässt den Spinstrom zusammen­brechen, sobald er zu stark wird. In Supraleitern ist dieser Effekt schon bekannt, da sie instabil werden, sobald der Elektronen­strom zu stark wird. Nun haben die Forscher den dazu analogen Effekt in magnetischen Isolatoren entdeckt, der die Rolle der Magnonen­viskosität beim Spin­transport verdeutlicht. 

Wenn eine dünne magnetische Schicht durch Streifen­leitungs­mikrowellen angeregt wird, entsteht ein Spinstrom aus Magnonen, der nur in eine Richtung fließt („chiraler Spin-Pumpen-Effekt“). Dies kann jedoch nur bis zu einem bestimmten Grad geschehen, bevor der Effekt zusammenbricht. Mit Hilfe fortschrittlicher theoretischer Konzepte und umfangreicher numerischer Simulationen zeigte das Team, dass die Magnonenfrequenz durch Spinströme moduliert wird, die die Magnonen mitreißen. Die Frequenz der Magnonen darf nicht negativ werden, was wiederum den maximalen Spinstrom begrenzt, den ein magnetisches Material aushalten kann. 

„Der vorhergesagte Doppler-Effekt in magnetischen Filmen ist eine unerwartete Konsequenz der erhöhten Viskosität des eingeschlossenen Magnonen-Gases, deren experimentelle Bestätigung noch aussteht“, sagt Gerrit Bauer von der Tohoku-Universität. „Wir waren überrascht, diese Analogie zwischen magnetischen Isolatoren und Supraleitern zu entdecken“, ergänzt Tao Yu, Erstautor und Postdoc am MPSD. „Trotz ihrer Ähnlichkeiten unterscheiden sich diese Systeme auf fundamentaler Ebene. Im Gegensatz zu den Ladungen im Supraleiter sind die Magnonen nicht erhalten und zeigen ein komplizierteres Verhalten. Es ist spannend, wie sich die Universalität physikalischer Gesetze in sehr unter­schiedlichen Systemen zeigt.“

Das Team ist überzeugt, dass sich seine Theorie auf andere magnetische Phänomene und Systeme übertragen lässt – etwa auf Magnetisierungs­strukturen oder Antiferro­magneten, bei denen die Spin-Viskosität viel weniger erforscht ist. „Wir beginnen gerade erst, die Effekte der Spin-Viskosität zu verstehen“, erklärt Michael Sentef, Gruppenleiter am MPSD. „Es gibt bereits Hinweise auf Magnon-Instabilitäten aufgrund steigender Magnonen­zahlen in Magneten, aber die Instabilität durch den Spin-Widerstand ist ein neues Szenario.“ Chen Wang, Professor an der Universität Tianjin, erklärt: „Die Änderung der Magnon-Geschwindigkeit durch den Doppler-Effekt hängt von der Strömungs­richtung der Magnonen ab. Diese Richtungs­abhängigkeit führt zu einer Art Einbahnstraßen-Effekt, funktioniert also wie eine Diode für Spins, die in Zukunft für logische Bauelemente nützlich sein könnte.“

MPSD / DE
 

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