19.01.2016

Schleifen mit magnetischen Fluiden

Magnet-unterstütztes Strömungsschleifen funktionalisiert auch komplizierte Innenflächen.

Strömungsschleifen ist gut geeignet, innen liegende Bauteil­ober­flächen wie Innenkanten oder Bohrungen zu schleifen und zu polieren. Dabei wird ein Fluid mit Schleif­partikeln durch die Bauteile gepumpt. Bei kompliziert geformten Innenbereichen können dabei jedoch Totflusszonen entstehen: Die Strömung erliegt dort und der Bereich ist nicht zu bearbeiten. Abhilfe schafft jetzt das magneto­rheologische Strömungs­schleifen, das Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Werkstoff­mechanik IWM für Bauteile aus Aluminium in einem Gemeinschaftsprojekt entwickelt haben. Damit lassen sich sogar Oberflächen in Totvolumen bearbeiten.

Abb.: Strömungskanal mit Magnetspulen (links), makroskopische Simulation des Magnetfeldes im Kanal (rechts oben) und mikroskopische Simulation der magnetischen Partikel (rechts unten; Bild: Fh.-IWM)

Auch kompliziert geformte Bauteile müssen teilweise innen geschliffen, verrundet, entgratet oder ihre Innenfläche funktionalisiert werden. Das kann Werkstücke aus metallischem 3D-Druck betreffen, medizinische Implantate, Einspritzdüsen im Automobil, Kühlkanäle in Turbinen­schaufeln oder Werkzeuge, bei denen eine Erodierschicht zu entfernen ist. Dazu pumpen die Hersteller beim Strömungs­schleifen oder hydroerosiven Verrunden eine Flüssigkeit mit Schleifpartikeln durch das Bauteil. Die abrasiven Partikel schleifen so an den Innen­ober­flächen entlang und glätten sie.

Das Ergebnis des herkömmlichen Verfahrens hängt maßgeblich von der Strömungs­mechanik ab: Aufgrund der Bauteil­geometrie strömt die Schleif­suspension an manchen Bereichen stärker oder schwächer – die Oberfläche wird unterschiedlich stark bearbeitet. In so genannten Totvolumen kommt der Strömungsdruck fast komplett zum Erliegen. „Dort sind dann die Abrasivkörner so gut wie wirkungslos, auch wenn hin und her, also reversierend, gepumpt wird“, erklärt Claas Bierwisch, Wissenschaftler in der Gruppe Pulver­technologie, Fluid­dynamik am Fraunhofer IWM in Freiburg.

Bei dem neu entwickelten Bearbeitungsverfahren werden die Schleifpartikel zusätzlich von einem um das Bauteil angelegten Magnetfeld bewegt. „Es steuert die so genannten magneto­rheologischen Schleif­medien zu den Bauteilbereichen, an denen sie wirken sollen – Strömungs­kraft und Magnetkraft ergänzen sich und so können die Schleifpartikel auch im hintersten Winkel ihre Arbeit tun“, erläutert Bierwisch.

Am Fraunhofer IWM geht es in diesem Zusammenhang hauptsächlich darum, das Verfahren für die jeweilige Bauteilgeometrie und den Bearbeitungs­wunsch einzustellen. Die Gruppe Pulvertechnologie, Fluiddynamik ist weltweit führend darin, das Verhalten der Schleifpartikel und deren Wirkung auf die Bauteiloberfläche mithilfe angewandter netzfreier Partikel­simulation vorherzusagen. „Wir simulieren die Strömung im System, den Ablauf der Bearbeitung und empfehlen Bauteilherstellern die ideale Fluid-Partikel-Kombination und Bearbeitungs­weise für ihre gewünschten Effekte“, so Bierwisch. „Wir beantworten Fragen wie ‚Wo entstehen Totvolumen am jeweiligen Bauteil?‘, ‚Wie muss das Magnetfeld aufgebaut sein?‘, ‚Reicht es zur gewünschten Bearbeitung aus, die magnetischen Schleif­partikel auszurichten oder muss ihre Bewegung stärker gesteuert sein?‘“ Die Antworten experimentell per Versuch und Irrtum finden zu wollen sei undenkbar – es gäbe zu viele Testvarianten.

Das Simulationsteam hat bereits in einem Gemeinschaftsprojekt mehrerer Fraunhofer-Institute und Industriepartner das magneto­­rheologische Strömungs­schleifen an Aluminium­bauteilen im Labormaßstab erfolgreich getestet. Dabei hatte das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS die magnetischen Eigenschaften der Kombination aus Fluid und Partikeln untersucht und das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK die entsprechende Anlagen­technologie entwickelt. „Das magneto­rheologische Strömungs­schleifen funktioniert bei Bauteilen aus Aluminium sehr gut, weil sie selbst nicht magnetisierbar sind“ so Bierwisch. „Bei einem magnetisierbaren Bauteil­material wird es komplizierter: Es produziert ein starkes eigenes Magnetfeld, wenn außen herum eine Magnet­spule angelegt wird – das muss mit berücksichtigt werden.“ Er will nun in weiteren Projekten das neue Verfahren mithilfe von Simulationen auch auf magnetisierbare Metallbauteile anpassen.

Fh.-IWM / DE

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