15.08.2023 • QuantenphysikNanophysik

Quantentechnologie aus Kohlenstoff

Forscher versehen erstmals einzelne atomar genaue Nanobänder mit Elektroden.

Für eine erfolgreiche Entwicklung und Anwendung der Quanten­technologie sind spezielle Materialien nötig. Diese Quanten­materialien zeigen ausgeprägte quanten­physi­kalische Effekte. Eines davon ist Graphen. Die zwei­dimen­sionale Strukturform des Kohlenstoffs verfügt über ungewöhn­liche physikalische Eigen­schaften, etwa eine außer­ordentlich hohe Zugfestigkeit, Wärme- und Strom­leit­fähigkeit. Schränkt man das ohnehin zwei­dimen­sionale Material räumlich noch mehr ein, etwa zu einem schmalen Band, entstehen kontrol­lierbare Quanten­effekte.

Abb.: Ein inter­natio­nales Forschungs­team hat erst­mals erfolg­reich...
Abb.: Ein inter­natio­nales Forschungs­team hat erst­mals erfolg­reich einzelne atomar präzise Nano­bänder mit Elek­troden versehen. Damit ebnen die Wissen­schaftler den Weg für eine genaue Charak­te­ri­sie­rung der Nano­bänder und ihre mög­liche An­wen­dung in der Quanten­techno­logie. (Bild: EMPA)

Genau das macht sich das Team von Mickael Perrin an der ETH Zürich und an der Eidge­nössischen Material­prüfungs- und Forschungs­anstalt EMPA zunutze. „Nanobänder aus Graphen sind noch faszinierender als Graphen selbst“, so der Forscher. „Indem man ihre Länge und Breite sowie die Form ihrer Ränder variiert und sie mit anderen Atomen versetzt, kann man ihnen alle erdenklichen elektrischen, magnetischen und optischen Eigen­schaften verleihen.“ Die Forschung an den vielver­sprechenden Bändchen gestaltet sich nicht immer einfach. Je schmaler das Band, desto deutlicher sind seine Quanten­eigen­schaften – aber desto schwieriger wird es auch, ein einzelnes Band anzusteuern. Genau das ist aber unabdingbar, um die Besonder­heiten und möglichen Anwendungen dieses Quanten­materials im Detail zu verstehen.

In einer neuen Studie ist es Perrin und seinem Team erstmals gelungen, einzelne lange, atomar genaue Graphen-Nanobänder elektrisch leitend zu kontaktieren. Keine triviale Aufgabe: Ein Graphen-Nanoband, das nur neun Kohlenstoff­atome breit ist, misst gerade einmal ein Nanometer in der Breite. Um einzelne Bänder zu kontaktieren, verwendeten die Forscher ebenso kleine Elektroden: Kohlenstoff-Nano­röhrchen mit einem Durchmesser von ebenfalls nur einem Nanometer.

Die Präzision, die für einen solchen Versuch unabdingbar ist, beginnt bereits bei den Ausgangs­materialien. Die Graphen-Nanobänder bezogen die Forscher von einem speziali­sierten Labor der EMPA. Die Kohlenstoff-Nano­röhrchen stellte eine Forschungs­gruppe an der Universität Peking her, und für die Inter­pretation der Ergebnisse arbeiteten EMPA-Wissen­schaftler mit Forschern der University of Warwick in Groß­britannien zusammen.

Einzelne Bänder mit den Nano­röhrchen zu kontaktieren war eine Heraus­forderung für die Forscher. Die Kohlenstoff-Nano­röhrchen und die Graphen-Nanobänder werden auf separaten Substraten gezüchtet. Zuerst müssen die Röhrchen auf das Experiment­substrat übertragen und mit Metall­elektroden kontaktiert werden. Dann schneiden die Forscher sie mittels hoch­auf­lösender Elektronen­strahl­litho­grafie, um sie in je zwei Elektroden zu trennen. Schließlich werden die Bänder auf dasselbe Substrat übertragen. Präzision ist dabei unabdingbar: Schon die kleinste Drehung der Substrate kann einen erfolg­reichen Kontakt verhindern.

Den Erfolg bestätigten die Wissen­schaftler durch Messungen von Ladungs­transport. „Quanten­effekte sind bei tiefen Temperaturen in der Regel deutlicher, deshalb haben wir die Messungen bei Temperaturen nahe am absoluten Nullpunkt im Hochvakuum durchgeführt“, erklärt Perrin und nennt zugleich eine besonders viel­ver­sprechende Eigenschaft von Graphen-Nanobändchen: „Dank ihrer extrem kleinen Größe sind ihre Quanten­eigen­schaften sehr robust. Wir erwarten, dass sie sogar bei Raum­temperatur noch nachweisbar sind.“ Das, so der Forscher, könnte es erlauben, Quanten­techno­logien zu entwickeln, die ohne aufwändige Kühl­infra­struktur auskommen.

Der Weg dahin ist indes noch weit – noch sind Graphen-Nanobänder nicht bereit für kommer­zielle Anwendungen. In Folgestudien will das Team unter­schied­liche Quanten­zustände auf einem einzelnen Band kontrol­lieren, sowie zwei Nanobänder in Serie zu einem doppelten Quantenpunkt zusammen­schalten. Eine solche Schaltung könnte als Qubit dienen. Außerdem will Perrin die Nutzung von Nanobändern als hoch­effiziente Energie­wandler erforschen.

EMPA / RK

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