13.12.2019

Optische Zentrifuge sortiert Spiegelmoleküle

Neues Verfahren kombiniert einen korkenzieherartigen Laserpuls mit einem elektrischen Feld.

Viele der molekularen Bausteine des Lebens gibt es in zwei spiegel­bildlichen Versionen. Obwohl scheinbar identisch, können diese beiden Enan­tiomere ein völlig unterschiedliches chemisches Verhalten aufweisen – eine Tatsache, die große Auswirkungen auf unser tägliches Leben hat. Während beispiels­weise eine Version der organischen Verbindung Carvon Minze ihren typischen Geruch verleiht, steckt ihr Spiegelbild in Kümmel. In Pharmakologie und Arzneimittel­design kann es lebenswichtig sein, zwischen den beiden Enantiomeren zu unterscheiden und sie zu trennen. Während beispiels­weise ein Enantiomer von Betablockern selektiv auf das Herz wirkt, wirkt das andere nur auf die Zellmembranen des Auges. Die Trennung von Spiegel­molekülen ist jedoch in der Regel kompliziert. Ein Forschungsteam am Desy, der Universität Hamburg und dem University College London hat jetzt einen neuen Ansatz entwickelt und damit zugleich einen theo­retischen Rahmen für das Verständnis des Phänomens geschaffen.

Abb.: Das neue Verfahren kombiniert einen korken­zieherartigen Laser­puls mit...
Abb.: Das neue Verfahren kombiniert einen korken­zieherartigen Laser­puls mit einem elektrischen Feld, um spiegel­bildliche Versionen einer chemischen Verbin­dung räumlich voneinander zu trennen. (Bild: A. Yach­menev, DESY)

„Traditionell war die chirale Analyse auf Flüssigkeiten beschränkt, aber wir erleben gerade einen starken Anstieg von Verfahren für die Gasphase, die eine weitaus höhere Empfind­lichkeit bieten“, berichtet Andrey Yachmenev. „Die Möglich­keit, Gase fast bis zum absoluten Nullpunkt abzukühlen, erlaubt eine bessere Kontrolle der Probe, was wiederum hilft, die Enan­tiomere effizient zu trennen und eine höhere Ausbeute zu erzielen.“ Auch das neue Verfahren ist für Gase ausgelegt. Es basiert auf einem speziellen Laseraufbau, der als optische Zentrifuge bezeichnet wird. Darin regt ein korkenzieher­förmiger Laserpuls Moleküle zu ultraschnellen Rotationen an. Die Moleküle rotieren bis zu eine Billion Mal pro Sekunde. In Kombination mit einem zusätzlichen elektrischen Feld wird der gesamte Aufbau chiral, so dass sich die beiden Enantiomere unterschiedlich verhalten. „Die Interaktion des Laserfeldes mit einem chiralen Molekül erzeugt einen Zustand, den wir feld­induziertes Diastereomer nennen“, sagt Desy-Forscher Emil Zak. Diastereomere sind verschiedene Konfi­gurationen derselben Verbindung, die jedoch keine Spiegelbild­versionen voneinander sind.

Die unter­schiedlichen Eigen­schaften von Diastereo­meren können nun genutzt werden, um die Enantiomere räumlich zu trennen. „Wichtig ist, dass unser Ansatz steuerbar ist und wir die Anreicherung eines Enan­tiomers erhöhen können, indem wir einfach die Zeitspanne ändern, in der die Moleküle mit dem Laserfeld interagieren", sagt Alec Owens vom University College London. Das Team hat die Wirksam­keit seines Verfahrens rechnerisch an der Verbindung Propylenoxid (C3H6O) überprüft, dem ersten chiralen Molekül, das außerhalb des Sonnensystems nachgewiesen wurde. Experimente bei Desy sollen die Methode nun praktisch testen. Dabei sollen auch elektrische Molekül­trenner zum Einsatz kommen, die in Küppers „Controlled Molecule Imaging“-Gruppe am Center for Free-Electron Laser Science CFEL entwickelt worden sind. 

„Die Manipulation chiraler Moleküle in der Gasphase befindet sich in einer spannenden Entwicklungs­phase, sowohl für praktische Anwen­dungen in der Industrie als auch für neue Erkenntnisse über diesen sehr grundlegenden Aspekt der Natur“, betont Yachmenev. „Der Ursprung der Chiralität und der Händigkeit des Lebens ist eines der großen Geheimnisse der Natur, aber wir nähern uns allmählich einem tieferen und umfassenderen Verständnis.“

DESY / JOL

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