10.06.2022 • AstrophysikKernphysik

Neue Einblicke in die Physik von Neutronensternen

Kombination von Schwerionen-Experimenten, astrophysikalischen Beobachtungen und Kerntheorie

Ein internationales Team hat zum ersten Mal Daten aus Schwer­ionen­kollisionen, Gravitations­wellen­messungen und anderen astro­nomischen Beobachtungen mit Hilfe modernster theoretischer Modelle kombiniert, um die Eigenschaften der dichten Materie im Inneren von Neutronen­sternen besser zu verstehen. Neutronen­sterne entstehen bei Supernova-Explosionen – manche davon in Doppel­stern­systemen. Dann können schließlich zwei Neutronen­sterne miteinander kollidieren. Diese hoch­energetischen, astro­physi­ka­lischen Phänomene zeichnen sich durch so extreme Bedingungen aus, dass sie die meisten schweren Elemente wie Silber und Gold erzeugen. Daher sind Neutronen­sterne und ihre Kollisionen einzig­artige Labora­torien zur Unter­suchung der Eigen­schaften von Materie bei Dichten, die weit über den Dichten in Atomkernen liegen.

Abb.: Künst­le­rische Dar­stel­lung einer Simu­la­tion von zwei...
Abb.: Künst­le­rische Dar­stel­lung einer Simu­la­tion von zwei ver­schmel­zen­den Neu­tro­nen­ster­nen (links) und den ent­ste­hen­den Teil­chen­spu­ren (rechts), wie sie in einer Schwer­ionen­kol­li­sion zu sehen sind, die Materie unter ähn­lichen Be­din­gun­gen im Labor er­zeugt (Bild: T. Dietrich, A. Le Fevre, K. Huyser / ESA / NASA / SDSS)

Experimente mit Schwerionen-Kollisionen, die mit Teilchen­beschleunigern durchge­führt werden, sind eine Möglichkeit, Materie bei hohen Dichten und unter extremen Bedingungen zu erzeugen und zu unter­suchen. „Die Kombination von Erkennt­nissen aus der theoretischen und experi­men­tellen Kernphysik und astro­physi­ka­lischen Beobachtungen ist unerlässlich, um die Eigen­schaften neutronen­reicher Materie über den gesamten Dichte­bereich, der in Neutronen­sternen vorkommt, zu verstehen“, erklärt Sabrina Huth von der TU Darmstadt. Und Peter Pang von der Universität Utrecht ergänzt: „Wir stellen fest, dass die Teilchen­beschleuniger-Daten von Goldionen-Kollisionen eine bemerkens­werte Über­ein­stimmung mit astro­physi­ka­lischen Beobachtungen aufweisen, obwohl sie mit völlig anderen Methoden gewonnen wurden.“

Dank der jüngsten Fortschritte in der Multi-Messenger-Astronomie konnte das inter­nationale Team, an dem Forscher aus Deutschland, den Nieder­landen, den USA und Schweden beteiligt sind, neue Erkenntnisse über die grund­legenden Wechsel­wirkungen in der Kernmaterie gewinnen. In einer inter­diszi­plinären Studie haben die Wissen­schaftler Informationen aus Schwer­ionen­kolli­sionen mit astro­no­mischen Beobachtungen elektro­magnetischer Signale, Messungen von Gravitations­wellen und astro­physi­kalischen und kern­theoretischen Berechnungen zusammen­gebracht. Ihre systematische Studie kombiniert erstmals all diese Informationen und deutet auf einen höheren Druck bei mittleren Dichten in Neutronen­sternen hin.

Das Team hat die Informa­tionen aus Goldionen-Kollisions­experimenten, die am GSI-Helmholtz­zentrum für Schwerionen­forschung in Darmstadt sowie am Brookhaven National Laboratory und am Lawrence Berkeley National Laboratory in den USA durch­geführt wurden, in ihre mehr­stufige Analyse einfließen lassen, welche auf Informa­tionen aus der theoretischen Kernphysik und astro­physi­ka­lischen Beobachtungen basiert. Dazu gehören Messungen der Masse von Neutronen­sternen durch Radio­beob­achtungen, Informationen von der „Neutron Star Interior Composition Explorer“-Mission auf der Inter­nationalen Raumstation ISS sowie Multi-Messenger-Beobachtungen von Verschmelzungen zweier Neutronensterne.

Die Einbeziehung der Daten von Schwerionen-Kollisionen in die Analysen hat zusätzliche Ein­schränkungen im Dichte­bereich ermöglicht, wo die Kerntheorie und astro­physi­kalische Beobachtungen weniger sensitiv sind. Das hat dazu beigetragen, ein voll­stän­digeres Verständnis der dichten Materie zu gewinnen. In Zukunft können verbesserte Daten aus Schwerionen­kollisionen eine wichtige Rolle bei der Verknüpfung von Kerntheorie und astr­ophysi­kalischen Beobachtungen spielen, indem sie ergänzende Informationen liefern. Insbesondere Experimente, die höhere Dichten erforschen und gleichzeitig die experi­mentellen Unsicher­heiten verringern, haben ein großes Potenzial, neue Hinweise auf die Eigen­schaften von Neutronen­sternen zu liefern. Neue Informa­tionen auf beiden Seiten können leicht in die Berechnungen integriert werden, um das Verständnis dichter Materie in den kommenden Jahren weiter zu verbessern.

GSI / RK

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