28.10.2021 • AstronomieAstrophysik

Mögliches Signal des Gravitationswellen-Hintergrunds im Nanohertz-Bereich nachgewiesen

EPTA-Kollaboration präsentiert Ergebnis einer 24-jährigen Kampagne mit den fünf größten europäischen Radioteleskopen.

Das „European Pulsar Timing Array“ EPTA ist eine wissen­schaftliche Kolla­bo­ration von Teams von Astronomen an den großen europä­ischen Radio­teleskopen, sowie weiterer Gruppen, die sich auf die Daten­analyse und die Model­lierung von Gravitations­wellen­signalen spezialisiert haben. Sie hat jetzt eine detail­lierte Analyse eines möglichen Signals für den seit langem gesuchten Gravitations­wellen­hinter­grund präsentiert. Dieser wäre auf super­masse­reiche schwarze Löcher zurück­zu­führen, die durch das Verschmelzen von Galaxien entstehen und die sich in geringem Abstand vonein­ander umkreisen. Obwohl ein eindeutiger Nachweis damit noch nicht gelungen ist, stellt das aktuelle Resultat doch einen bedeutenden Schritt auf dem Weg dar, Gravitations­wellen bei sehr niedrigen Frequenzen im Nano­hertz­bereich aufzu­spüren. Das Kandidaten­signal ist das Ergebnis einer beispiellos detail­lierten Analyse unter Verwendung zweier unabhängiger Methoden. Darüber hinaus weist das Signal starke Ähnlich­keiten mit den Signalen auf, die bereits in den Analysen von anderen Teams gefunden wurden.

Abb.: Das EPTA-Netz­werk, Im Uhr­zeiger­sinn von oben links: Effels­berg...
Abb.: Das EPTA-Netz­werk, Im Uhr­zeiger­sinn von oben links: Effels­berg (Deutsch­land), Nançay (Frank­reich), Jodrell-Bank (Groß­britan­nien), Wester­bork-Synthesis-Radio­tele­skop (Nieder­lande), Sardinien-Radio­tele­skop (Italien). (Bilder: N. Tacken / Nançay Obser­va­tory / A. Hollo­way / ASTRON / G. Alvito)

Dieses Ergebnis wurde möglich aufgrund eines Daten­satzes, der über einen langen Zeitraum von 24 Jahren mit den fünf großen europäischen Radio­teleskopen gesammelt wurde. Im Beobachtungs­modus des „Large European Array for Pulsars“ sind diese fünf Teleskope so mitein­ander verbunden, dass sie ein virtuelles, voll bewegliches 200-m-Radio­teleskop darstellen, mit dem die Empfind­lich­keit des EPTA für Gravitations­wellen erheblich verbessert wird.

Die von den Magnetpolen der rotierenden Pulsare ausgehenden Strahlen werden als Pulse beobachtet, wenn sie die Sichtlinie zur Erde passieren. Pulsar Timing Arrays sind Netzwerke von sehr stabil rotierenden Pulsaren, die als Detektoren für Gravitations­wellen im galaktischen Maßstab eingesetzt werden. Sie sind insbesondere empfindlich für sehr nieder­frequente Gravitations­wellen im Nanohertz-Bereich. Mit Pulsar Timing Arrays können daher Gravitations­wellen untersucht werden, wie sie von Systemen umeinander rotierender und langsam sich annähernder super­masse­reicher schwarzer Löcher in den Zentren von Galaxien ausgesandt werden. Die Addition der Gravitations­wellen, die von einer kosmischen Population dieser Binärsysteme freigesetzt werden, bildet den Gravitations­wellen­hinter­grund.

„Wir können kleine Änderungen in den Ankunfts­zeiten der Radiosignale der Pulsare auf der Erde messen, die durch die Deformation der Raumzeit aufgrund einer durch­laufenden Gravitations­welle sehr niedriger Frequenz verursacht werden. In der Praxis zeigen sich diese Deformationen in der Raumzeit als Quellen eines sehr nieder­frequenten Rauschens in der Reihe der beobachteten Ankunfts­zeiten der Pulse, ein Rauschen, das von allen Pulsaren eines Pulsar Timing Arrays gemeinsam erfasst wird“, erklärt Yanjun Guo vom MPI für Radio­astronomie in Bonn. Die Amplitude dieses Rauschens ist jedoch sehr gering und viele andere Effekte könnten ein entsprechendes Rauschen auf jeden einzelnen Pulsar im Pulsar Timing Array übertragen.

Zur Validierung der Ergebnisse wurden mehrere unabhängige Auswertungs­programme mit unter­schied­lichen statistischen Rahmen verwendet, um alternative Rausch­quellen ausschließen zu können und nach dem Gravitations­wellen­hinter­grund zu suchen. Wichtig ist, dass zwei unabhängige Verfahren im kompletten Verlauf der Analyse verwendet wurden, um eine gegen­seitige Konsistenz zu gewähr­leisten. Zusätzlich wurden drei unabhängige Methoden verwendet, um mögliche systematische Effekte bei den Planeten­parametern des Sonnensystems zu berück­sichtigen, die in den Modellen zur Vorhersage der Impuls­ankunfts­zeiten verwendet werden. Sie stellen einen Haupt­kandidaten für falsch positive Gravitations­wellen-Signale dar.

Die Analyse mit beiden Verfahren im Rahmen der EPTA-Beobachtungen ergab ein klares Kandidaten­signal für einen Gravitations­wellen­hinter­grund. Die ermittelten spektralen Eigen­schaften liegen innerhalb der theoretischen Erwartungen für das erwartete Rauschen des Gravitations­wellen­hinter­grunds.

Einsteins Allgemeine Relativitäts­theorie sagt eine räumliche Korrelation des Signals, die Hellings-Downs-Kurve, voraus. Ihr Nachweis kann das beobachtete Rauschen als eindeutig von einem Gravitations­wellen­hinter­grund verursacht identi­fi­zieren. „Im Moment erlauben uns die statistischen Unsicher­heiten in den Messungen noch nicht, das Vorhanden­sein der für das Gravitations­wellen-Hinter­grund­signal erwarteten räumlichen Korrelation zu identi­fi­zieren“, sagt Siyuan Chen, Forscher am Laboratoire de Physique et de Chimie de l'Environnement et de l'Espace in Orleans. „Für eine weitere Bestätigung müssen wir eine noch größere Zahl von Pulsar­daten in die Analyse einbeziehen, aber die aktuellen Ergebnisse sind bereits sehr ermutigend.“

MPIfR / RK

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