07.10.2022 • UmweltphysikAtmosphärenphysik

Messungen der Methan-Konzentrationen an den Lecks von Nord Stream 1 und 2

Methanaustritt aus dem Meer sowie die lokale Ausbreitung der Emissionen untersucht.

Ersten Schätzungen zufolge sind aus den Lecks an den Erdgas­pipelines Nord Stream 1 und 2 innerhalb weniger Tage zwischen hundert und fünf­hundert Kilotonnen Methan ins Meer geströmt. Unklar ist dabei, welcher Anteil des Methans im Ozean verbleibt, und wieviel Methan in die Atmosphäre entweicht. In Zusammen­arbeit mit dem Umwelt­programm der Vereinten Nationen gelang es nun dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, der TU Braunschweig und weiteren Partnern erstmals direkt vor Ort in der Luft die Methan­konzen­tra­tionen an den Lecks der Nord-Stream-Pipelines zu vermessen. Dazu bestückte das Forschungs­team eine Hubschrauber­messsonde mit Instrumenten und flog diese am 5. Oktober über der Ostsee. Zudem werteten Forscher des DLR Radardaten sowie optische Satelliten­aufnahmen aus, die den Gasaustritt bestätigen und den Verlauf ihrer Ausdehnung andeuten.

Abb.: Zwei der vier Gaslecks in der Ostsee an der Pipeline Nord Stream 1,...
Abb.: Zwei der vier Gaslecks in der Ostsee an der Pipeline Nord Stream 1, auf­ge­nom­men vom Sa­tel­liten Sentinal-1A am Abend des 29. Sep­tem­ber 2022. (Bild: ESA / DLR)

In enger Kooperation mit dem Institut für Flugführung der TU Braunschweig fanden insgesamt zwei Hubschrauber­flüge ausgehend von der polnischen Küste bei Kohlberg statt. Das IFF betreibt die hubschrauber­getragene Schleppsonde HELiPOD mit umfang­reicher Technik für atmo­sphärische Messungen, die bereits im Juni 2022 bei Messungen der Methan-Emissionen aus Steinkohle-Schächten in Polen sowie bei der inter­nationalen Arktis-Drift­kampagne MOSAiC im Einsatz war. Der HELiPOD wird als Schlingenlast an einem rund 25 Meter langen Seil unter dem Hubschrauber geflogen. Für die aktuellen Flüge war dieser zusätzlich mit einem Methan­instrument des DLR-Instituts für Physik der Atmosphäre bestückt.

Bei den Flügen konnten Messungen auf der wind­zuge­wandten und der wind­abge­wandten Seite der bekannten Stellen der Lecks durch­ge­führt werden. „Dabei konnten wir mit den Instru­menten im HELiPOD auf niedrigen Höhen bis hinunter auf etwa fünfzig Meter über dem Meer Daten sammeln“, erklärt die Leiterin der Messkampagne, Anke Roiger vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre. „Die detail­lierten Messungen der Methan­konzen­tration im Umfeld der Lecks werden uns helfen die Ausbreitung der Methan­emissionen aus den verschiedenen Lecks zu charak­te­ri­sieren und somit die Schätzungen der Emissions­raten zu prüfen. Diese direkten flug­basierten Messungen in der Luft schließen die Beobach­tungs­lücke zwischen den Boden- und Satelliten­beob­ach­tungen der letzten Tage.“Während der Flüge zeigte der HELiPOD-Missionsmonitor im Cockpit die Messungen online an, sodass der Hubschrauber erfolgreich durch die optisch unsicht­baren Methanwolken fliegen konnte.

Satelliten­aufnahmen aus dem Weltall, aufgenommen vom europä­ischen Radar­satelliten Sentinel-1A, konnten am 29. September und 1. Oktober bereits das fortwährende Austreten von Gas bestätigen. Die hohe austretende Gasmenge erzeugte an der Wasser­ober­fläche starke Strudel, die das Radarsignal stärker zurück­streuen als das umgebende ruhigere Wasser und dadurch in den Radar­aufnahmen gut sichtbar sind. Hinzu­ge­zogen zu den Aus­wertungen wurden auch Aufnahmen des optischen Satelliten Sentinel-2 vom 30. September.

Mit den Lecks in den Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 rückt das kontinu­ier­liche Monitoring kritischer maritimer Infra­strukturen verstärkt in den Fokus. Hier könnten vor allem wetter­unab­hängig beobachtende Radar­satelliten zukünftig eine wichtige Rolle spielen. „Die notwendigen Satelliten wie Sentinel-1A, aber auch die deutschen Satelliten TerraSAR-X und TanDEM-X sind bereits im Orbit. Hinzu kommt bereits 2023 mit Sentinel-1C der nächste Copernicus Radar-Satellit“, erklärt Stefan Dech, Direktor am Earth Observation Center des DLR. „Durch Anpassung der Beobachtungs­routinen könnten die Satelliten zukünftig verstärkt auch zur Beobachtung maritimer Infra­strukturen genutzt werden, um beispiels­weise ungewöhn­liche Schiffs­be­wegungen und andere Auffäl­lig­keiten nahe solcher Ein­rich­tungen auf dem Meer frühzeitig zu erfassen. Hier haben wir dank der großen Fortschritte bei der automa­tischen Daten­aus­wertung und Muster­erkennung mittels künstlicher Intelligenz ein großes Potenzial für zukünftige Monitoring-Systeme und Beobach­tungs­algorithmen.“

DLR / RK

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