02.12.2022 • Plasma

Kornkäfern mit Plasma an den Kragen gehen

Behandlung von Schüttgut sichert lange Haltbarkeit der Ernte.

Korn­käfer gehören zu den häufig­sten Schädlingen im Nach­ernte-Bereich. Sie können im Extremfall für einen Total­aus­fall der Ernte sorgen. Sie fressen sich durch die Getreide­hülle und legen im Korn ihre Eier ab. Laut dem Internet-Portal „Ökolandbau“ sorgt ein Korn­käfer-Weibchen allein in einem Jahr für 250.000 Nach­kommen. Die gleiche Zahl an Getreide­körner geht verloren und entspricht einem Gewicht von sechs Kilo­gramm. In massen­haft befallenem Ernte­gut entstehen zudem sogenannte „Wärmenester“, die Luft­feuchtig­keit steigt und damit das Risiko, dass das Getreide von Pilzsporen befallen wird. Der wirtschaftliche Schaden, der durch Pilze und Schädlinge verursacht wurde, geht weltweit in die Milli­onen. Mithilfe von Plasma können Korn­käfer im Ernte­gut nun direkt auf einem extra konstru­ierten Förder­band behandelt und unschädlich gemacht werden. Auch Pilz­sporen können bei der Lager­haltung von Getreide im Silo mittels plasma­behandelter Luft eliminiert werden. Beide Verfahren sichern Ernte­erträge und sind eine Alternative zu einer chemischen Behandlung im Schütt­gut­bereich.

Abb.: Physics for Food: Wäh­rend das Schütt­gut über das Lauf­band...
Abb.: Physics for Food: Wäh­rend das Schütt­gut über das Lauf­band trans­portiert wird, macht die Plasma­be­hand­lung die Korn­käfer un­schäd­lich. (Bild: INP)

Schritt­weise wird der Einsatz chemischer Pestizide zur Bekämpfung der Insekten wie in der gesamten Land- und Ernährungs­wirtschaft immer weiter beschränkt oder gar untersagt. Gleich­zeitig nehmen extreme Witterungs­verhältnisse mit Hitze, Dürre oder Über­schwemmung zu. Das zieht einen vermehrten Schädlings­befall nach sich. Das Bündnis Physics for Food, das mit der Hochschule Neubrandenburg, dem Leibniz-Institut für Plasma­forschung und Technologie e.V. (INP) in Greifswald und weiteren Wirtschafts­partnern der Region initiiert worden ist, forscht an umwelt­freundlichen physikalischen Methoden, um eine alternative Antwort auf die Heraus­forderungen der Zukunft zu finden.

Im Teilprojekt Physics for Food & Feed und ist nun nach gut zwei­jähriger gemeinsamer Planung und Forschung ein Förder­band durch den Projekt­partner automation & software Günther Tausch (autosoft) aus Neu­branden­burg modifiziert worden. Sebastian Glaß, Projekt­leiter und Mit­arbeiter im Zentrum für Ernährung und Lebens­technologie gGmbH (ZELT), ist vom Prototyp und seinen Möglichkeiten begeistert.
Immerhin haben die Labor­versuche mit kaltem Atmo­sphärendruck-Plasma gezeigt, dass der Kornkäfer zu 99 Prozent inaktiviert werden konnte. „In den nächsten Wochen und Monaten werden wir Experimente mithilfe des Förder­bandes durch­führen und prüfen, ob sich die Ergebnisse aus dem Labor bestätigen lassen“, stellt er in Aussicht. Immerhin handelt es sich weltweit um eines der größten Förder­bänder mit einer Plasma­einrichtung. In einzelnen Versuchen wird nun getestet, welche Durchsatz­menge an Körnern oder auch welche Förder­geschwindig­keit angebracht sind, um den größten Nutzen zu erzielen.

Alfred Bligenthal, Senior­berater beim Projekt­partner Hafen Vierow GmbH und einer der Sprecher des Projektes Physics for Food, blickt dieser Entwicklung gespannt entgegen: „Die gesellschaft­liche Relevanz ist von immenser Bedeutung. Es geht voran und für die Land­wirte sowie Lager­halter ist es wichtig zu wissen, dass sie die Technik in einigen Jahren einsetzen können und sie sich für eine groß­technische Anwendung eignet.“

Für die Forschung im Teil­projekt ist darüber hinaus ein gut drei Meter hohes Silo aufgestellt und ein ausge­klügeltes Plasma-Belüf­tungs­system verbaut worden. Eingelagertes Getreide soll mit plasma­behandelter Luft umströmt werden, sodass Pilze und Bakterien keine Chance haben. Pilz­sporen konnten in Versuchen deutlich um 99,99 %, also 4 log-Stufen, reduziert werden.

Die Entwicklung des Plasma-Silos war genauso aufwendig wie die des Förder­bandes und dauerte 1,5 Jahre. Das Besondere daran ist die Kombination eines gasdichten Schütt­gut-Silos – wie es auch für Futter­mittel genutzt wird – mit der inno­vativen Plasma-Technologie zur Schädlings­bekämpfung. Zu Forschungs­zwecken ist es mit der Möglichkeit ausgerüstet, die klimatischen Bedingungen und die Gas­zusammen­setzung im Innen­raum zu erfassen und das gelagerte Schütt­gut während der Lagerung zu behandeln und Proben zu entnehmen.

INP / LK

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