10.05.2023 • Kondensierte Materie

Kontrolliert getunnelt

Forscher messen und steuern Elektronenfreisetzung aus Metallen im Attosekundenbereich.

Durch Überlagerung zweier Laserfelder unterschied­licher Stärke und Frequenz lässt sich die Elektronen­emission von Metallen auf wenige Atto­sekunden genau messen und steuern. Das haben jetzt Physiker der Uni Erlangen-Nürnberg gemeinsam mit Kollegen anderer Univer­sitäten gezeigt. Die Erkenntnisse könnten zu neuen quanten­mecha­nischen Einblicken führen und elektronische Schaltungen ermöglichen, die eine Million Mal schneller sind als heutige.

Abb.: Ein starker Laser­puls (rot) wird mit einem Puls der dop­pel­ten...
Abb.: Ein starker Laser­puls (rot) wird mit einem Puls der dop­pel­ten Licht­fre­quenz (blau) über­la­gert. Beide Pulse werden über einen Para­bol­spiegel (links) auf eine Metall-Nadel­spitze fo­kus­siert. Die emit­tier­ten Elek­tro­nen (nicht sicht­bar) werden ent­spre­chend ihrer Ener­gie de­tek­tiert. Eine Wie­der­ho­lung dieser Mes­sung mit un­ter­schied­li­chem, zeit­li­chem Ver­satz der Fel­der er­laubt es, auf das Emis­sions­zeit­fens­ter zu­rück­zu­schlie­ßen. (Bild: T. Boolakee, P. Dienst­bier, FAU)

Licht ist in der Lage, Elektronen aus Metall­ober­flächen heraus­zu­lösen. Mit der Entwicklung der Laser­techno­logie hat die Erforschung dieses Photoeffekts einen neuen Schub bekommen. „Wir können heute extrem starke und ultrakurze Laserpulse in den verschiedensten Spektral­farben erzeugen“, erklärt Peter Hommelhoff, Inhaber des Lehrstuhls für Laserphysik der Uni Erlangen-Nürnberg. „Das weckt den Wunsch, die Dauer und Intensität der Elektronen­frei­setzung von Metallen genauer zu erfassen und zu steuern.“ Eine präzise Bestimmung der laser­indu­zierten Elektronen­dynamik gelang bisher nur in Gasen – mit einer Genauigkeit von wenigen Atto­sekunden. An Festkörpern wurden Quanten­dynamik und Emissions­zeit­fenster bislang nicht gemessen.

Genau das ist den Forschern jetzt erstmals gelungen. Sie nutzten dafür eine besondere Strategie: Statt nur eines starken Laserpulses, der die Elektronen aus einer hauchdünnen Wolfram­spitze herauslöst, verwendeten sie zusätzlich einen zweiten schwächeren Laser mit doppelter Frequenz. „Dazu muss man grundsätzlich wissen, dass bei sehr starkem Laserlicht nicht mehr die einzelnen Photonen für das Freisetzen der Elektronen verantwortlich sind, sondern das elektrische Feld des Lasers“, erklärt Team-Mitglied Philip Dienstbier. „Die Elektronen tunneln dann durch die Metall­grenz­fläche ins Vakuum.“ Durch die gezielte Überlagerung der beiden Lichtwellen können die Physiker die Form und Stärke des Laserfelds kontrol­lieren – und damit auch die Emission der Elektronen.

Im Experiment konnten die Forscher die Dauer des Elektronen­flusses auf 30 Atto­sekunden genau bestimmen. Diese ultra­präzise Eingrenzung des Emissions­zeit­fensters könnte Grundlagen- und anwendungs­bezogene Forschung gleicher­maßen voran­bringen. „Die Phasen­ver­schiebung der beiden Licht­quellen erlaubt uns tiefere Einsichten in den Tunnel­prozess und die anschließende Bewegung des Elektrons im Laserfeld“, sagt Dienstbier. „Das ermöglicht neue quanten­mecha­nische Erkenntnisse sowohl über die Emission aus dem Festkörper als auch über die eingesetzten Lichtfelder.“

Wichtigstes Anwendungs­gebiet ist die lichtfeld­getriebene Elektronik: Mit der vorgeschlagenen Zweifarben-Methode kann das Laserlicht so moduliert werden, dass eine exakt definierte Abfolge von Elektronen­pulsen und damit von elektrischen Signalen erzeugt werden könnte. „In absehbarer Zeit wird es möglich sein, die Komponenten unseres Versuchs­aufbaus – Lichtquellen, Metallspitze, Elektronen­detektor – in einen Mikrochip zu integrieren“, so Dienstbier. Denkbar sind dann komplexe Schaltungen mit Bandbreiten bis in den Petahertz-Bereich hinein – das wäre fast eine Million Mal schneller als die derzeitige Elektronik.

FAU / RK

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