25.12.2021

James Webb folgt Hubble

Nach jahrelangen Tests ist das James-Webb-Weltraumteleskop auf dem Weg zu seinem Beobachtungspunkt.

Wenn das kein Weihnachtsgeschenk für die Astronomie-Community ist: Das James-Webb-Weltraumteleskop (JWST) ist am zweiten Weihnachtsfeiertag um 13:20 Uhr MEZ vom europäischen Weltraumbahnhof Korou in Französisch Guyana an Bord einer Ariane-5-Rakete ins All gestartet. Fast zwei Jahrzehnte, nachdem die NASA grünes Licht für den Nachfolger des Hubble-Weltraumteleskops gegeben hat, ist das JWST auf dem Weg zum Lagrange-Punkt L2 des gemeinsamen Schwerefelds von Erde und Sonne.

Mit diesem Punkt bewegt sich das Weltraumteleskop einmal im Jahr um die Sonne und verändert dabei kaum seine Lage relativ zur Erde und zur Sonne. Das hat den Vorteil, dass es der Sonne stets dieselbe Seite zuwendet, so dass es sich mit Hilfe einer einfachen Sonnenblende kühlen lässt.

Die Astronomie-Community erhofft sich von den Beobachtungen mit dem JWST einen Blick auf die frühestens Sterne, die etwa 200 bis 300 Millionen Jahre nach dem Urknall entstanden sind, oder auf erdähnliche Exoplaneten, deren Atmosphären auf lebensfreundliche Bedingungen deuten. Und natürlich werden mit Spannung die Entdeckungen erwartet, die vollkommen unerwartet sind.

Mit Gesamtkosten von über neun Milliarden US-Dollar statt der 2002 geplanten 2,8 Milliarden Dollar ist das JWST die bislang wohl kostbarste Fracht, die mit einer Rakete ins All befördert wurde. Die NASA übernimmt den Löwenteil der Kosten, während Europa 15 Prozent finanziert und Kanada einen kleinen Anteil beisteuert.

Der anvisierte Start im Jahr 2010 ließ sich wegen der umfangreichen Tests nicht einhalten. Zudem stand das Projekt wegen der wachsenden Kosten mehrmals auf der Kippe. Zudem entbrannte eine Kontroverse über den Namen für das neue. James Webb stand der NASA von 1961 bis 1968 vor, der entscheidenden Phase des amerikanischen bemannten Weltraumprogramms, aber auch eine Zeit, in der homosexuelle Mitarbeiter:innen diskriminiert oder sogar entlassen wurden. Eine Petition mit anschließender Untersuchung von Dokumenten in den Archiven führten jedoch nicht zu einer Namensänderung.

Die umfangreichen Tests waren nötig, weil das Teleskop seine Reise ins All gefaltet antreten musste. Im All sind bis zu 180 Schritte nötig, damit sich der 6,5 Meter große Hauptspiegel und der mehrlagige Sonnenschild, der 21,2 m × 14,2 m misst, entfalten. Für die Projekt-Wissenschaftler:innen eine Gedulds- wie Nervenprobe, nicht zuletzt weil anders als beim Hubble-Weltraumteleskop keine bemannten Reparaturmissionen zum JWST möglich sind.

Für zwei der an Bord befindlichen Messinstrumente hat das Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg mehrere zentrale technische Komponenten beigetragen. Die instrumentellen Hardware-Beiträge des MPIA und seiner industriellen Auftragnehmer zu diesen beiden JWST-Instrumenten wurden bereits in den Jahren 2012/2013 erfolgreich an die NASA geliefert.

Das MPIA ist einer der Hauptpartner im europäischen Konsortium für MIRI (Mittel-InfraRot-Instrument). In dieser Rolle entwickelten Ingenieurinnen und Ingenieure des MPIA mit Unterstützung der Firma Hensoldt in Oberkochen unter anderem ein Filterrad für die MIRI-Kamera sowie zwei Gitterräder für den MIRI-Spektrografen.

Darüber hinaus ist das MPIA in dem MIRI-Konsortium federführend bei der Entwicklung des elektrischen Systems des MIRI-Instruments. MIRI wird im Bereich des infraroten Lichtspektrums arbeiten, der Wellenlängen zwischen fünf und 28 Mikrometern umfasst. MIRI ist dabei so empfindlich, dass es eine Kerze auf einem der Jupitermonde nachweisen könnte.

Weiterhin ist das MPIA an der Entwicklung eines Filter- und eines Gitterrads für das Instrument NIRSpec (NahInfraRot-Spectrograph) beteiligt. NIRSpec deckt einen Spektralbereich zwischen 0,6 und fünf Mikrometern ab. Alle beweglichen Teile müssen unter extremer Kälte betrieben werden und Temperaturen bis hinunter zu -266 °C aushalten, die durch zusätzliche Kühlgeräte erreicht werden.

Als Co-Investigator des MIRI-Instruments leitet Thomas Henning, geschäftsführender Direktor des MPIA, eines der großen Wissenschaftsprojekte mit diesem Instrument. „Wir wollen herausfinden, welches Baumaterial Planeten in ihren Geburtsstätten, den Scheiben aus Gas und Staub um junge Sterne, vorfinden“, erläutert er, „Dazu werden wir mit dem MIRI-Spektrografen die chemische Zusammensetzung des Gases und der Staubteilchen aufklären.“

Nun heißt es Daumendrücken für die „freie Entfaltung“ des neuen Weltraumteleskops. „Seine wissenschaftlichen Aussichten sind atemberaubend“, sagte NASA-Wissenschaftsdirektor Thomas Zurbuchen im Vorfeld. „Das Webb-Weltraumteleskop ist ein wahr gewordener Traum für Astronomen und Wissenschaftsfans gleichermaßen.“

Alexander Pawlak
 

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