06.12.2023

Gedruckter Muschelkleber für Knochen und Gewebe

Biomimetisches, antimikrobielles Material verbindet Titan-Komponenten.

Hüftimplantate aus Titan halten nicht ewig. Sie lockern sich früher oder später und verlieren ihren Halt im Knochen, da sich dieser mit der Zeit zurückbildet. Forschende am Fraunhofer IAP haben gemeinsam mit dem Fraunhofer IGB und dem Fraunhofer CMI einen Gewebekleber entwickelt, mit dem sich der frühzeitige Austausch von Prothesen künftig vermeiden lässt. Auf die Titanoberfläche des Implantats aufgebracht, stellt das biomimetische, antimikrobielle Material die Verbindung zum Knochen her – es haftet selbstständig an. Der Clou: Der Gewebekleber, der die haftende Eigenschaft von Miesmuscheln nachahmt, ist druckbar und lässt sich sogar auf gekrümmte, unebene Flächen drucken.

Abb.: Der dopaminbasierte Gewebe­kleber wird von einem Drucker auf einen...
Abb.: Der dopaminbasierte Gewebe­kleber wird von einem Drucker auf einen drei­dimensionalen Titanschaft eines Hüftgelenks aufgebracht.
Quelle: Fh.-CMI

Miesmuscheln haften fest an Außen- und Unterseiten von Schiffen, der Bewuchs lässt sich nur schwer entfernen. Ein Protein, das die Aminosäure Dihydroxy­phenylalanin – auch DOPA genannt – enthält, ist verantwortlich für die haftende Wirkung der Muscheln an Oberflächen. Der neue biomimetische Kleber ahmt diese Eigenschaft nach. Er zeichnet sich durch außergewöhnliche Haftungs- und Bindungseigenschaften aus und hat daher das Potenzial, in verschiedenen bio­medizinischen Anwendungen eingesetzt zu werden. So lassen sich etwa offene Wunden damit verschließen. Auch können Titan­oberflächen von Implantaten damit beklebt werden, damit der Körper die Oberfläche als knochenähnliche Substanz erkennt und die Verbindung zum Knochen herstellt.

„DOPA sorgt für eine äußerst effektive Haftung. Diese Eigenschaft haben wir auf unseren Klebstoff übertragen, indem wir Polymere synthetisiert haben, die den Baustein Dopamin enthalten, ein chemisches Analogon von DOPA. Der dopamin­basierte Klebstoff lässt sich mit verschiedenen Additiven, wie Apatit-Partikeln – eine Substanz, aus der Zähne bestehen –, Proteinen und Signalmolekülen versetzen. Diese fördern das Wachstum von Knochenzellen und können als Beschichtungs­material etwa für Titanimplantate verwendet werden“ sagt Wolfdietrich Meyer, Wissen­schaftler am Fraunhofer IAP. Die spezielle Beschichtung lässt das Implantat für den Körper natürlicher erscheinen und kann die Heilung und Integration des Implantats im Körper fördern. Der biobasierte, nachhaltig hergestellte Klebstoff besitzt zudem antimikrobielle Eigenschaften.

Die dopamin­basierten Polymere eignen sich nicht nur für Gewebeklebstoffe, sondern auch für die Entwicklung funk­tionalisierter Oberflächen, antibak­terieller Materialien und intelligenter Beschichtungen mit speziellen Funktionen. Und durch chemische Synthese kann man die Funktionalität des Klebers erweitern. Er lässt sich derart modifizieren, dass er auf Licht reagiert. Wird er mit UV-Licht bestrahlt, so härtet er aus. Dabei verstärkt sich seine haftende Wirkung. Photo­reaktive Materialien lassen sich im 3D-Druck in Gegenwart von UV-Strahlung verarbeiten. Auf diese Weise können komplexe Strukturen für maßgeschneiderte medizinische Implantate aufgebaut werden.

Dem Forscherteam ist es gelungen, den Kleber durch Vernetzung der Polymere druckbar zu machen. „Wir haben quasi das Druck­material für den 3D-Druck entwickelt“, sagt Meyer. Am Fraunhofer Center for Manufacturing Innovation CMI in Boston, USA, wurde das Material mithilfe eines Bioprinters auf einen dreidimen­sionalen Titan­schaft eines Hüftgelenks aufgebracht. Künftig arbeiten die Forschenden an Lösungen, wie man den Kleber schaltbar machen kann. „Hat der Chirurg den medizinischen Klebstoff beispielsweise geringfügig falsch platziert, muss er diesen Fehler schnell korrigieren und die klebende Wirkung deaktivieren können“, erklärt Meyer.

FhG / JOL

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