15.09.2022

GDNÄ: Offener Austausch für die Wissenschaft

Die Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte (GDNÄ) feierte ihr 200. Gründungsjubiläum.

Auch wenn durch die Corona-Pandemie viele wissenschaftliche Tagungen ausfielen oder ins Virtuelle ausgelagert wurden, besteht kein Zweifel an ihrem Nutzen. Hier lässt sich durch offenen Austausch Wissenschaft voranbringen. Das hat die Herbsttagung der DPG in Regensburg wieder eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Doch vor 200 Jahren gab es bestenfalls brieflichen Austausch zwischen Naturforschern, aber keine Tagungen. Das Reisen innerhalb Deutschlands, das in fast 40 Einzelstaaten zerfiel, die sich im Deutschen Bund organisierten, war aufwändig und langwierig. Versammlungen von Bürgern wurden zudem von den Obrigkeiten kritisch beäugt. Daher war es ein durchaus mutiger Akt, als eine Gruppe um den Naturforscher Lorenz Oken im September 1822 in Leipzig die Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte (GDNÄ) gründete, um den wissenschaftlichen Austausch zu befördern.

Aus Angst vor Repressalien registrierten sich dafür nur 13 der geschätzt rund 60 Teilnehmer. Johann Wolfgang von Goethe, selbst ein passionierter Naturforscher, beäugte die GDNÄ kritisch, die manche gar als „wissenschaftliche Nomadenhorde“ bezeichneten: „Ich weiß recht gut, daß bei diesen Versammlungen nicht so viel herauskommt, als man sich denken mag“ schrieb er 1830, meinte aber: „sie sind vortrefflich, daß man sich gegenseitig kennen und möglicherweise lieben lerne“.

Die Versammlungen der GDNÄ etablierten sich sehr bald zu einem Treffpunkt für die naturwissenschaftlich-medizinische Elite Europas. Ihren Kernanliegen – dem interdisziplinären Austausch, dem Gespräch mit der Gesellschaft und der Nachwuchsförderung – ist die GDNÄ bis heute verpflichtet.

Die größte Zäsur in der Geschichte der Gesellschaft ist sicher der Zweite Weltkrieg. Die letzte Tagung vor dem Krieg fand im September 1938 in Stuttgart statt, die Mitgliederlisten gingen im Krieg verloren. Erst am 16. Februar 1950 konstituierte sich die GDNÄ in Göttingen. Heute hat sie rund 4000 Mitglieder, von denen 14 Prozent jünger als 35 Jahre sind. Ordentliches Mitglied können dabei nicht nur aktiv Forschende werden: Die Mitgliedschaft steht jedem an Naturwissenschaft, Medizin und Technik interessierten Menschen offen.

Herzstück der Aktivitäten der GDNÄ sind bis heute die alle zwei Jahre stattfindende Versammlung der Gesellschaft. Zu dieser erscheint in Form der „Verhandlungen“ ein Tagungsband. Dieser enthält die präsentierten Vorträge und Kurzreferate und richtet sich an ein breites Publikum, ohne dabei den wissenschaftlichen Anspruch aus den Augen zu verlieren.

Im Jubiläumsjahr tagte die GDNÄ vom 8. bis 11. September am Gründungsort Leipzig. Erstmals ließen sich alle Vorträge im Großen Saal der Kongresshalle am Zoo Leipzig per Livestream verfolgen, ebenso die gesamte Festversammlung und der öffentlichen Vortrag von Physik-Nobelpreisträger Reinhard Genzel. Die Vorträge, Interviews und zusammenfassende Beiträge der Versammlung stellt die GDNÄ im eigenen YouTube-Kanal ein.

Die Nähe der GDNÄ zur DPG zeigt sich nicht nur räumlich – ihre Geschäftsstelle befindet sich in den Räumen des Physikzentrums Bad Honnef der DPG –, sondern auch in der Zeit. Die GDNÄ hatte 23 Jahre vor der Gründung der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin, aus der 1899 die DPG hervorging, auch eine wichtige Funktion für die Vernetzung der frühen Physik-Community. Schon bei den ersten GDNÄ-Tagungen hatten Physik und Chemie einen großen Anteil; bei der Versammlung 1828 in Berlin gründete sich eine physikalisch-chemische Sektion, die im Rahmen der gemeinsamen Versammlungen ihre eigenen Sitzungen abhielt.

Die DPG tagte bis 1928 mit der GDNÄ, die auf ihrer Versammlung 1920 in Bad Nauheim beschlossen hatte, sich nur noch alle zwei Jahre zu treffen. Daher entschied die DPG mit der Deutschen Gesellschaft für Technische Physik, in den versammlungsfreien Jahre eine eigene Tagung abzuhalten, die Keimzelle der heutigen DPG-Jahrestagungen.

Zahlreiche Physiker sowie DPG-Präsidenten waren Vorsitzende bzw. Präsidenten der GDNÄ, darunter Max Planck, Wilhelm Wien, Heinz Maier-Leibnitz, Reimar Lüst, Joachim Treusch, Harald Fritzsch und Ludwig Schultz. Joachim Treusch erhielt bei der Jubiläumsversammlung die Alexander-von-Humboldt-Medaille für seine besonderen Verdienste für die GDNÄ.

„Die Festversammlung hat gezeigt, dass die GDNÄ gebraucht wird und ein Zukunftsmodell besitzt, das sie weiterentwickeln und ausbauen kann: für einen intensiven Dialog zwischen Disziplinen, für einen belebendes Schülerprogramm, und für Wissenschaftskommunikation im besten Sinne!“, resümierte der derzeitige GDNÄ-Präsident, der Mediziner Martin Lohse

Alexander Pawlak

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