31.10.2016

Flüssig spektroskopieren im Vakuum

Pump-Probe-Experimente dank ionischer Flüssigkeit in Ultrahochvakuum möglich.

Ein Team von Forschern des Helmholtz-Zentrums Berlin hat eine neue Methode entwickelt, um Moleküle in Lösung mit Laser­experimenten analysieren zu können. Dies war bisher schwierig, weil sich dafür die Probe im Vakuum befinden muss, Flüssigkeiten unter Vakuum aber verdampfen. Dem Team ist es nun gelungen, das Lösungs­mittel durch eine ionische Flüssigkeit zu ersetzen, die im Vakuum nicht verdampft: So lassen sich die Moleküle mit einem Laserpuls anregen und das Verhalten der angeregten Zustände im Vakuum messen. Dies gibt Aufschluss über physikalische und chemische Prozesse in neuartigen flüssigen Energie-Materialien, wie sie etwa in organischen Solarzellen oder Katalysatoren zum Einsatz kommen.

Abb.: Ein Laserpuls versetzt die gelösten Moleküle in einen angeregten elektronischen Zustand. Dann lässt sich die Bindungsenergie der angeregten Elektronen messen. (Bild: HZB)

Nicht nur in der Natur finden zahlreiche Prozesse in Lösung statt, sondern auch in der Technik: Zum Beispiel bestehen organische Solarzellen aus gelösten Farbstoff­molekülen, und auch eine neue Klasse von Katalysator­materialien besteht aus Nanopartikeln in gelöster Form. Um zu verstehen, welche Prozesse Licht in diesen Material­systemen auslöst, eignet sich die Methode der zeitaufgelösten Photo­elektronen-Spektroskopie (PES): Ein genau abgestimmter Anregungs-Laserpuls versetzt die Probe in einen angeregten elektronischen Zustand, worauf Abfrage-Laserpulse in kurzen Zeitabständen die Bindungs­energie der angeregten Elektronen abtasten. Daraus lässt sich rekonstruieren, wie die angeregten Elektronen in den Grund­zustand zurückfallen.

Dies erlaubt Rückschlüsse auf die physikalischen, chemischen und biologischen Prozesse, die in diesen Materialien möglich sind. Allerdings sind solche Anregungs-Abfrage-Laser­experimente (Pump-Probe) nur im Ultra­hoch­vakuum möglich. Für feste Proben ist die Methode gut etabliert, für flüssige Proben jedoch nicht. Flüssigkeiten verdampfen im Vakuum sofort. Sie konnten deshalb bislang nur mit aufwändigen Techniken wie dem Liquid-Micro Jet untersucht werden.

Abb.: Intensität der gemessenen Elektronen (Farbleiste rechts) mit bestimmter Bindungsenergie kurze Zeit nach der Anregung. (Bild: HZB)

Nun hat eine Gruppe um Emad Aziz erstmals gezeigt, dass es eine einfachere Alternative gibt, um PES-Experimente auch an gelösten Proben durchzuführen: Sie ersetzten das organische Lösungs­mittel durch eine ionische Flüssigkeit. Diese besteht aus organischen Molekülen, die sich untereinander durch ionische Kräfte vernetzen und bei Raumtemperatur flüssig sind. Ionische Flüssigkeiten verdampfen selbst im Ultra­hoch­vakuum nicht.

Es gelang ihnen, einen roten Farbstoff, der als Prototyp für Farbstoffe in organischen Solar­zellen gilt, in einer ionischen Flüssigkeit zu lösen und mit Photo­elektronen-Spektro­skopie zu untersuchen. Dabei regten sie den Farbstoff mit einem Laserpuls an. In der ersten Pikosekunde danach tastete der Probe-Puls in 150 Einzelschritten die Bindungs­energie der angeregten Elektronen ab. Das aus diesen Daten erstellte Histogramm zeigt, über welche Zwischen­zustände die angeregten Elektronen ihre Energie abgeben. Da die licht­induzierten Prozesse in diesem Farbstoff bereits gut untersucht sind, konnten die Physiker ihre experimentellen Daten mit bereits vorliegenden Resultaten vergleichen.

„Das alternative Lösungsmittel hat keinen Einfluss auf die ultraschnellen Prozesse: Alle Prozesse, die im Lauf dieser ersten Pikosekunde ablaufen, decken sich perfekt mit Resultaten aus Messungen, aber auch mit Simulationen der Prozesse im konventionellen Lösungs­mittel“, erklärt Mario Borgwardt, der die Experimente im Rahmen seiner Doktor­arbeit durchgeführt hat. Ein wichtiges Ergebnis: Denn die schnellen Prozesse sind es, die zum Beispiel in einer Solarzelle zu Verlusten führen. Als Fazit hält Emad Aziz fest: „Ionische Flüssigkeiten sind eine gute Alternative zu herkömmlichen Lösungsmitteln, um Moleküle in Lösung mit zeit­aufgelöster Photo­elektronen-Spektroskopie zu analysieren.“

Nun will das Team auch Nanopartikel, insbesondere Nano­diamanten aus Kohlen­stoff, in ionischen Flüssigkeiten lösen und mit PES untersuchen. In einem großen Kooperations­projekt, DIACAT, an dem das HZB mit vielen Partnern arbeitet, testen sie die Eignung von Nan­odiamanten als licht­reaktive Katalysatoren für die Erzeugung von solaren Brennstoffen. Die neue Methode kommt da gerade zur richtigen Zeit.

HZB / DE

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