13.07.2021

Farbfotografie mit Nobel-Prädikat

Vor 100 Jahren starb der Physikochemiker Gabriel Lippmann, der 1908 den Nobelpreis für Physik erhielt.

Der französische Physiker Gabriel Lippmann ist einer der Pioniere der Farbfotografie. Sein Verfahren, das auch als „Interferenz-Fotografie“ bezeichnet wird, brachte ihm 1908 den Nobelpreis für Physik ein. Doch weil die Lichtempfindlichkeit seiner Fotoplatten sehr gering war und es bei der Herstellung der Farbfotos große Schwierigkeiten gab, setzte sich das Verfahren nicht durch.

Gabriel Lippmann (1845 - 1921) und ein Foto, das er mit seinem entwickelten...
Gabriel Lippmann (1845 - 1921) und ein Foto, das er mit seinem entwickelten Verfahren für Farbfotografie aufgenommen hat. (Bilder: Wikimedia Commons)

Gabriel Lippmann wurde am 16. August 1845 in Hollerich, Luxemburg, geboren. Seine Eltern, ein jüdisch-französisches Paar, zogen bald nach seiner Geburt nach Paris. Über seinen Schulbesuch berichtet Lippmann im Lebenslauf für das Nobel-Komitee, er sei nicht sonderlich erfolgreich gewesen, weil er sich nur auf Fächer konzentriert habe, die ihn interessierten. Am Lycée Napoleon begeisterte ihn sein Lehrer Joseph-Charles d‘Almeida für die Physik, insbesondere für die Optik. So besuchte der brillante Schüler auf dessen Empfehlung die naturwissenschaftliche Sektion der renommierten École Normale Supérieure. Bei der Abschlussprüfung, die ihn als Lehrer qualifiziert hätte, fiel er durch.

Doch es eröffneten sich für ihn neue Perspektiven: 1873 wurde der 28-Jährige Mitglied einer staatlichen Delegation, die Unterrichtsmethoden in Deutschland studieren sollte. So hatte er die Gelegenheit, in Heidelberg mit Wilhelm Kühne und Gustav Kirchhoff zu arbeiten. In Berlin setzte er bei Hermann von Helmholtz seine bereits in Heidelberg begonnenen Arbeiten zur Elektrokapillarität fort. Er entwickelte ein raffiniertes Kapillarelektrometer, das kleine Spannungen bis zu 0,9 Volt hochpräzise messen konnte, indem es die Abhängigkeit der Oberflächenspannung von der angelegten Spannung ausnützte. Dazu verfasste Lippmann seine Dissertation, die bei der Rückkehr nach Paris in der Faculté des Sciences Aufsehen erregte und ihm eine Stellung im dortigen Forschungslabor einbrachte.

Nun ging es mit seiner akademischen Laufbahn voran: 1878 wurde Lippmann zum Maître de Conférence (Assistenten) an der Faculté des Sciences, 1883 erhielt er dort eine Professur für Mathematische Physik. Drei Jahre später folgte er dem Leiter des Forschungslabors Jules Jamin auf dessen Posten und wurde zum Professor für Experimentalphysik ernannt. 1886 erreichte Lippmann schließlich den Olymp der französischen Wissenschaft, als er zum Mitglied der Académie des Sciences gewählt wurde. Er war bis 1912 ihr Vorsitzender. Über ein Mitglied der Académie, den Schriftsteller V. Cherbuliez, lernte er seine Ehefrau kennen: 1888, im Alter von 43 Jahren, heiratete er Cherbuliez' Tochter.

1886 entwickelte Lippmann erstmals eine Theorie zur fotografischen Reproduktion von Farben. Die praktische Ausführung war jedoch mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Erst nach fünf Jahren des geduldigen Experimentierens konnte er 1891 der Académie des Sciences seine Ergebnisse vorführen. Er benutzte dazu eine sehr feinkörnige Emulsion für Schwarzweiß-Fotos, die er auf Quecksilber auftrug. So wurden die einfallenden Lichtstrahlen reflektiert. Durch Interferenz der einfallenden und reflektierten Strahlen wurde der Film – abhängig von der Wellenlänge – in unterschiedlicher Schichttiefe geschwärzt. Legte man ihn nach normaler Entwicklung erneut auf Quecksilber, erschien das farbige Bild aus Interferenzfarben.

Erst durch eine Zusammenarbeit mit den Brüdern Lumière, die zu dieser Zeit ein Vermögen mit der Erfindung ihrer Gelatine-Trockenplatten für Schwarzweiß-Fotos verdienten, ließ sich die Qualität der Aufnahmen weiter verbessern. 1893 führte Lippmann die verbesserten Fotos der Académie des Sciences vor. Er erzeugte damit, wie auch der Leipziger Physiker Hermann Krone, brillante Aufnahmen sehr heller Motive, etwa des Sonnenspektrums oder des Spektrums elektrischer Lichtbögen. 1894 publizierte er seine Theorie der Farbfotografie. Allerdings kam es nie zu einer breiten Anwendung, weil die Technik lange Expositionszeiten erfordert und die Fotos nicht zu vervielfältigen waren. Allerdings bleibt die Qualität der Aufnahmen unübertroffen.

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Zehn Jahre später, nachdem die Brüder Lumière für die Kinematographie bereits berühmt waren, sollte Louis Lumière der Académie française eine weitere Technik der Farbfotografie vorstellen, die autochrome Fotografie. Die Fotoplatten waren mit orangerot, grün und violett eingefärbten Stärkekörnchen aus Kartoffeln versehen, die als rasterartiger Filter dienten. Sie waren mit einer Bromsilber-Gelatine-Emulsion überzogen. Diesem Verfahren sind die meisten Fotografien vom Ende des 19. Jahrhunderts und dem Ersten Weltkrieg zu verdanken. Es fand aber noch bis 1932 Verwendung.

Die Arbeit von Gabriel Lippmann hat einige Berührungspunkte mit derjenigen des Ehepaars Curie. 1880 entdeckten Pierre Curie und sein älterer Bruder Jacques den piezoelektrischen Effekt. Ein Jahr später sagte Lippmann den inversen piezoelektrischen Effekt vorher, den dann die Curie-Brüder nachweisen konnten. Eine wichtige Rolle spielte er im Leben der jungen polnischen Studentin Marie Skłodowska, die seit 1891 an der Faculté des Sciences Chemie studierte. 1894 nahm er sie in sein Forschungslabor auf, das ein Jahr zuvor der Sorbonne angegliedert worden war. Hier begann Marie, die 1895 Pierre Curie heiratete, ihre Dissertation zu den von Henri Becquerel gefundenen „Uran-Strahlen“. Sie sollten zur Isolierung der ersten radioaktiven Elemente Polonium und Radium führen. Ohne die Unterstützung von Lippmann, der als unabhängiger und geistig offener Denker galt, wären diese Arbeiten wahrscheinlich nicht möglich gewesen.

Lippmann blieb indessen der klassischen Physik treu. Er verbesserte zahlreiche Messinstrumente. 1895 konnte er beispielsweise die Präzision von Pendeluhren erhöhen und entwickelte ein Verfahren, die Schwingungen zweier Pendel mit nahezu gleicher Periode zu vergleichen. Sein Beitrag zur Astronomie ist der Coelostat, ein flacher Spiegel, der durch einen Motor langsam gedreht wird und das Licht der Himmelsobjekte auf ein fixiertes Teleskop reflektiert. Damit ließen sich Sterne ohne Verzerrung durch lange Expositionszeiten fotografieren.

Gabriel Lippmann starb am 13. Juli 1921 auf einer Seereise bei der Rückkehr aus Nordamerika. Er war dorthin als Mitglied einer Delegation unter der Leitung des Marschalls Émile Fayolle gereist. Nach Lippmann sind das Centre de Recherche Public in Luxemburg benannt, eine Inselgruppe in der Antarktis und ein Mondkrater. Im Palais de la Découverte in Paris kann man heute noch eine von Lippmann aufgenommene Farbfotografie bewundern.

Anne Hardy

 

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