18.03.2019 • VakuumLaserQuantenoptik / Photonik

Erforschung des Quantenvakuums mit Hochintensitätslasern

Neue DFG-Forschergruppe ebnet Weg für erste experimentelle Erschließung nichtlinearer Phänomene des Quantenvakuums.

Von Vakuumdoppelbrechung über Quantenreflexion und Wellenmischung von Licht im Vakuum bis hin zur multiphotonischen Erzeugung von Teilchenpaaren aus dem Vakuum – die neue DFG-Forschungsgruppe FOR 2783 vereint unter Federführung des Jenaer Quantentheoretikers Holger Gies theoretische und experimentelle Physiker mit dem Ziel, einige der verblüffendsten Vorhersagen der Quantenfeldtheorie erstmalig im Labor nachzuweisen. An dem auf sechs Jahre angelegten Projekt sind neben der Friedrich-Schiller-Universität (FSU) Jena auch das Helmholtz-Institut Jena (HIJ) und die Universitäten in Düsseldorf und München (LMU) beteiligt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert die erste, dreijährige Phase mit rund zwei Millionen Euro, womit vor allem neun Doktorandenstellen, fünf davon in Jena, finanziert werden sollen.

Abb.: Holger Gies von der FSU Jena (r.) und Felix Karbstein vom HI Jena wollen...
Abb.: Holger Gies von der FSU Jena (r.) und Felix Karbstein vom HI Jena wollen gemeinsam mit ihrer neuen Forschungsgruppe kleinste Teilchen im „leeren Raum“ aufspüren. (Bild:FSU/Jan-Peter Kasper)

Die Quantenfeldtheorie begreift als grundlegendes Theoriekonzept aller bekannten Materie und ihrer teilchenphysikalischen Wechselwirkungen den Grundzustand der Natur als sogenanntes Quantenvakuum. Dieses unterscheidet sich von dem herkömmlichen, gemeinhin als partikelfreien, leeren Raum verstandenen Vakuum insofern, als dass das Quantenvakuum den Grundzustand der Quantenwelt bezeichnet, in dem auf kleinsten Raum- und Zeitmaßstäben „sehr viel mehr los“ als im makroskopischen partikelfreien Raum. Nach der Vorstellung theoretischer Physiker laufen gemäß der Heisenberg’schen Unschärferelation und der Einstein’schen Äquivalenz von Energie und Masse dort erstaunliche Prozesse ab: Da die Nullpunktsenergie dieses Quantenvakuums immer größer Null ist, kann man diesem auf hinreichend kleinen Zeitskalen kurzfristig Energie entziehen. Aus dieser Energieportion können sich sogenannte virtuelle Materie-Antimaterie-Teilchenpaare, z. B. Elektronen-Positronen-Paare, bilden, die sich nach kurzer Zeit wieder unter Freisetzung eben jener Ausgangsenergieportion vernichten. Dieses auch als Vakuumpolarisation oder Vakuumfluktuation bekannte Phänomen führt in Wechselwirkung mit Licht zu verschiedenen Besonderheiten, die nun erstmalig im Laborexperiment mit Hochintensitätslasern nachgewiesen werden sollen.  

„Das Besondere an unserem Team ist das enge Zusammenspiel von fundamentaler Theorie und hoher Experimentierkunst“, erläutert Felix Karbstein, Theoretiker am HIJ, der an genauen Vorhersagen für Messgrößen arbeitet, in denen die im Vakuum extrem kurz entstehenden Teilchen und ihre Anti-Teilchen ihre Spuren hinterlassen.

Die Jenaer Experimentalphysiker sowie die Kollegen an der LMU arbeiten derweil an der Methodik, um den praktischen Nachweis zu erbringen. Dazu entwickeln und kombinieren sie leistungsstarke Laser mit neuartigen, präzisen Messverfahren, so dass die flüchtigen Prozesse im Vakuum gemessen werden können.

Bislang existierten keine Lichtquellen, die für eine experimentelle Überprüfung leistungs­fähig genug waren. Die modernen Hochintensitätslaser, die bei den Versuchen zum Ein­satz kommen, nähern sich inzwischen der notwendigen Laserleistung. Daher werden die Experimente nicht nur in Jena und München, sondern auch am Europäischen Röntgenla­ser bei DESY in Hamburg durchgeführt.

Zu den Phänomenen des Quantenvakuums, die Gies und sein Team nachweisen wollen, zählt unter anderem die multiphotonische Erzeugung von Teilchenpaaren aus dem Vakuum. Dazu schickt man einem hochintensiven optischen Laserpuls mit hoher Photonendichte einen Strahl hochfrequenter (z.B. Bremsstrahlungs-) Photonen entgegen. In dieser Photon-Multiphotonen-Kollisionen können Elektronen-Positronen-Paare entstehen, deren Nachweis die erste experimentelle Bestätigung des 1934 von Gregory Breit und John A. Wheeler vorausgesagten und daher auch als Breit-Wheeler-Prozess bezeichneten Phänomens wäre.

Des Weiteren soll das Phänomen der Vakuumdoppelbrechung in makroskopischen elektromagnetischen Feldern untersucht werden. Bei dieser faszinierenden Vorhersage der Quantenelektrodynamik (QED) passiert ein ursprünglich linear polarisierter Probe-Photonstrahl ein starkes elektromagnetisches Feld. Dabei werden einige seiner Photonen in eine senkrechte Polarisationsmode gestreut. Die überwiegende Zahl der Probe-Photonen passiert das starke Feld jedoch unverändert. Infolgedessen weist der auslaufende Probe-Photonstrahl eine kleine Elliptizität auf, welche ein Signal der Doppelbrechung des Quantenvakuums in elektromagnetischen Feldern darstellt. Vor zwei Jahren wurde dieses Phänomen in der Gegenwart enorm starker Magnetfelder um Neutronensterne nachgewiesen, auf der Erde rücken allerdings erst die jüngsten Fortschritte in der Hochleistungslasertechnologie, in der Röntgenpolarimetrie aber auch in der Theoretischen Physik den erstmaligen Nachweis der Vakuumdoppelbrechung im Labor in den Bereich des Machbaren.

Abb.: Mithilfe von leistungsstarken Röntgenlasern soll der experimentelle...
Abb.: Mithilfe von leistungsstarken Röntgenlasern soll der experimentelle Nachweis von Ereignissen im Quantenvakuum gelingen. Annika Schmitt und Benjamin Grabiger von der Universität Jena arbeiten hier an einem Polarimeter, um die benötigten Präzisionsmessverfahren zu verbessern. (Foto: FSU/ Jan-Peter Kasper)

Diesen schwer zu fassenden Ereignissen ist jedoch nicht nur die Jenaer Forschungsgruppe auf der Spur. „Wir befinden uns in einem internationalen Wettbewerb“, weiß Holger Gies. Der Physiker ist allerdings „sehr hoffnungsvoll, weil ich sehr großes Vertrauen zu den experimentellen Kollegen habe, dass die Forschungsgruppe aufgrund der besonderen Nähe von Theorie und Praxis den Nachweis als erstes führen kann.

Nachweis und Verständnis der Vakuumphänomene wären nicht nur für die Quantenphysik selbst von Bedeutung. Moderne Hochleistungslaser und präzise Messmethoden sind aus der Medizin, den Lebenswissenschaften und der Materialforschung nicht mehr wegzuden­ken. So könnten die Ergebnisse in Zukunft bei der Entwicklung von Geräten helfen, die die Eigenschaften des Vakuums als Bausteine nutzen.

„Bei der Erforschung des Quantenvaku­ums kommen wir Grundlagenforscher einer konkreten Anwendung somit vergleichsweise nahe“, sagt Gies. Andererseits bestehe sogar die Möglichkeit, Hinweise auf Kandidaten für die rätselhafte Dunkle Materie zu finden, die für Strukturbildung im Universum verantwort­lich ist, aber auch im Quantenvakuum Spuren hinterlassen könnte – doch zuerst müssen die erhofften Ergebnisse realisiert werden: Die Forschungsgruppe geht dem Vakuum nun verstärkt auf den Grund.

FSU / LK

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