23.10.2020 • Materialwissenschaften

Entgegen der Lehrmeinung: Antiferromagneten für dissipationslose Nanoelektronik geeignet

Hall-Effekt in einem Antiferromagneten entdeckt.

Mitunter rufen Kombinationen verschiedener Dinge Effekte hervor, mit denen niemand rechnet: Etwa, wenn gänzlich neue Eigen­schaften auftauchen, die die beiden kombinierten Teile nicht haben. Eine solche unerwartete Eigen­schaft fand Libor Šmejkal von der Uni Mainz. Er kombinierte anti­ferro­magnetische Stoffe mit nicht­magnetischen Atomen – und stellte fest, dass entgegen der Lehrmeinung ein Hall-Strom auftritt, was einzeln weder bei anti­ferro­magnetischen noch bei nicht­magnetischen Stoffen der Fall ist.

Abb.: Elektronen (graue Wellen­pakete) in anti­ferro­magne­tischen (links)...
Abb.: Elektronen (graue Wellen­pakete) in anti­ferro­magne­tischen (links) und nicht­magne­tischen (Mitte) Kristallen bewegen sich entlang des elek­trischen Stroms. Die Kom­bi­na­tion von anti­ferro­mag­ne­tischen und nicht­magne­tischen Atomen (rechts) erzeugt eine trans­ver­sale Hall-Bewe­gung des Elek­trons.Die blauen und roten Schat­tie­run­gen zeigen die posi­tiven und nega­tiven Magne­ti­sie­rungs­dichten. (Bild: L. Šmejkal, JGU)

Das könnte vollkommen neue Potenziale für die Nano­elektronik bieten. Denn zum einen treten diese Material­kombinationen in der Natur sehr häufig auf – die Entdeckung hat daher das Potenzial, die wachsende Nachfrage in der konven­tio­nellen Magnet­elektronik nach seltenen schweren Elementen umzukehren und stattdessen die Forschung und Anwendungen auf reichlich vorhandene Materialien zu lenken. Der Hall-Strom weist zudem eine geringe Energie­dissipation auf. Das ist insbesondere wichtig vor dem Hintergrund, dass die Informations­technologien zum größten Energie­verbraucher werden.

Da die Materialien nach außen hin kein Magnetfeld aufweisen, also magnetisch unsichtbar sind, können sie sehr dicht gepackt werden und erlauben einen hohen Miniaturi­sierungs­grad von Nano­elektronik. Auch hinsichtlich der Geschwindigkeit punkten diese zuvor über­sehenen Materialien: Sie ist um ein Vielfaches größer als bei den Ferro­magneten, die Frequenzen könnten daher vom Gigahertz-Bereich in den Terahertz-Bereich verschoben werden. Kurzum: Die Entdeckung hat einen besonderen Platz auf dem schnell wachsenden neuen Gebiet der Spintronik.

Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass nicht­magnetische und anti­ferro­magnetische Kristalle keine Hall-Ströme aufweisen. Doch Šmejkal fand einen Kristall mit einer faszi­nie­renden Kombination von nicht­magnetischen und anti­ferro­magnetischen Atomen, die einen starken Hall-Strom erzeugen. Bemerkens­werter­weise sind Kristalle mit anti­ferro­magnetischen und nicht­magnetischen Atomen keine Seltenheit in der Natur, sondern weit verbreitet.

JGU / RK

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