22.07.2021

Die Geburt eines Exomondes

Erstmals mondbildende Scheibe um Jupiter-ähnlichen Exoplaneten nachgewiesen.

Mit dem Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array (ALMA), an dem die Europäische Südstern­warte (ESO) als Partner beteiligt ist, haben Astronomen zum ersten Mal eindeutig eine Scheibe um einen Planeten außerhalb unseres Sonnen­systems nachgewiesen. Die Beobachtungen werden neue Erkenntnisse darüber liefern, wie sich Monde und Planeten in jungen Planetensystemen bilden.

 

Abb.: Weitwinkel- und Nah­aufnahmen einer mond­bildenden Scheibe, aufgenommen...
Abb.: Weitwinkel- und Nah­aufnahmen einer mond­bildenden Scheibe, aufgenommen mit ALMA (Bild: LMA / ESO / NAOJ / NRAO / Benisty et al.)

„Unsere Arbeit stellt einen klaren Nachweis einer Scheibe dar, in der sich natürliche Trabanten bilden könnten“, sagt Myriam Benisty, Forscherin an der Universität von Grenoble, Frankreich, und an der Universität von Chile. „Unsere ALMA-Beobachtungen wurden mit einer so exzellenten Auflösung gewonnen, dass wir klar erkennen konnten, dass die Scheibe mit dem Planeten assoziiert ist. Zudem sind wir in der Lage, ihre Größe zum ersten Mal einzugrenzen“, fügt sie hinzu.

Die fragliche zirkumplanetare Scheibe umgibt den Exoplaneten PDS 70c, einen von zwei riesigen, Jupiter-ähnlichen Planeten, der einen fast 400 Lichtjahre entfernten Stern umkreist. Astronomen hatten schon früher Hinweise auf eine „mondbildende“ Scheibe um diesen Exoplaneten gefunden. Da sie die Scheibe aber nicht eindeutig von ihrer Umgebung unterscheiden konnten, konnten sie ihren Nachweis nicht bestätigen – bis jetzt.

Außerdem fanden Benisty und ihr Team mit Hilfe von ALMA heraus, dass die Scheibe etwa den gleichen Durchmesser hat wie die Entfernung von unserer Sonne zur Erde und genug Masse, um bis zu drei natürliche Satelliten von der Größe des Mondes zu bilden. Diese Ergebnisse sind nicht nur entscheidend, um die Entstehung von Monden zu ergründen. „Diese neuen Beobachtungen sind auch extrem wichtig, um Theorien über die Planetenentstehung zu überprüfen, die bisher nicht getestet werden konnten“, sagt Jaehan Bae, ein Forscher vom Earth and Planets Laboratory der Carnegie Institution for Science, USA, und Autor der Studie.

Planeten bilden sich in staubhaltigen Scheiben um junge Sterne und graben Lücken hinein, während sie Material aus dieser zirkumstellaren Scheibe für ihr Wachstum aufzehren. In diesem Prozess kann ein Planet seine eigene zirkum­planetare Scheibe entwickeln. Diese Scheibe trägt zum Wachstum des Planeten bei, während sie die Menge an Material reguliert, die auf den Planeten fällt. Gleichzeitig können sich das Gas und der Staub in der zirkum­planetaren Scheibe durch mehrfache Kollisionen zu immer größeren Gebilden verdichten, was schließlich zur Geburt von Monden führt.

Doch die Astronomen verstehen die Details dieser Prozesse noch nicht vollständig. „Kurz gesagt, es ist immer noch unklar, wann, wo und wie sich Planeten und Monde bilden“, erklärt ESO Research Fellow Stefano Facchini, der ebenfalls an der Studie beteiligt war.

„Mehr als 4000 Exoplaneten wurden bisher gefunden, aber alle von ihnen wurden in entwickelten Systemen entdeckt. PDS 70b und PDS 70c, die ein System bilden, das an das Jupiter-Saturn-Paar erinnert, sind die einzigen beiden bisher entdeckten Exoplaneten, die sich noch im Entstehungs­prozess befinden“, erklärt Miriam Keppler, Forscherin am Max-Planck-Institut für Astronomie in Deutschland und Co-Autorin der Studie.

„Dieses System bietet uns daher eine einzigartige Möglichkeit, die Prozesse der Entstehung von Planeten und natürlichen Satelliten zu beobachten und zu studieren“, ergänzt Facchini. PDS 70b und PDS 70c, die beiden Planeten, aus denen das System besteht, wurden erstmals 2018 und 2019 mit dem Very Large Telescope (VLT) der ESO entdeckt und wurden aufgrund ihrer Einzigartigkeit seither vielfach mit anderen Teleskopen und Instrumenten beobachtet.

Die jüngsten hochauflösenden ALMA-Beobachtungen haben es den Astronomen nun ermöglicht, weitere Erkenntnisse über das System zu gewinnen. Sie bestätigten nicht nur den Nachweis der zirkumplanetaren Scheibe um PDS 70c und untersuchten deren Größe und Masse. Sie fanden auch heraus, dass PDS 70b keine eindeutigen Hinweise auf eine solche Scheibe zeigt, was darauf hindeutet, dass ihm PDS 70c das Staubmaterial aus seiner Geburtsumgebung entzogen hat.

Ein noch tieferes Verständnis des Planetensystems soll mit dem Extremely Large Telescope (ELT) der ESO erreicht werden, das derzeit auf dem Cerro Armazones in der chilenischen Atacama-Wüste gebaut wird. „Das ELT wird der Schlüssel für diese Forschung sein, da es uns mit seiner viel höheren Auflösung ermöglichen wird, das System sehr detailliert zu kartieren“, sagt Co-Autor Richard Teague, Forscher am Center for Astrophysics | Harvard & Smithsonian, USA. Insbesondere wird das Team mit dem Mittel­infrarot-ELT-Imager und -Spektrografen (METIS) des ELT die Gasbewegungen um PDS 70c untersuchen können, um ein vollständiges 3D-Bild des Systems zu erhalten.

MPIA / DE

 

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