24.04.2015

Der Geburtstag der Entropie

Die zentrale Zustandsgröße der Wärmetheorie wird 150 Jahre alt.

Rudolf Clausius (1822 – 1888; Foto: Phot. J. Keller, Zürich / © ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv)

Am 24. April 1865 führte Rudolf Clausius den Begriff Entropie in seinem Vortrag „Ueber verschiedene für die Anwendung bequeme Formen der Hauptgleichungen der mechanischen Wärmetheorie“ ein, den er schließlich in den Annalen der Physik veröffentlichte. Clausius, der damals Professor an der ETH Zürich war, hatte den Namen für die thermodynamische Zustandsgröße vom griechischen Wort für Verwandlung abgleitet. Sein Artikel endet mit der uns heute bekannten Formulierung der beiden ersten Hauptsätze der Thermodynamik: „1) Die Energie der Welt ist constant. 2) Die Entropie der Welt strebt einem Maximum zu.“

Seine Forschungen begann der stark theoretisch orientierte Physiker in einer Zeit des Übergangs von der Wärmelehre zur Thermodynamik. Als er sein Studium an der Universität Berlin aufnahm, galt Wärme noch als ein unzerstörbarer Stoff. Zwar hatte Sir Benjamin Thompson, der spätere Lord Rumford, bereits Ende des 18. Jahrhunderts einen Zusammenhang zwischen Wärme und Bewegung hergestellt, als er die Reibungswärme bei der Herstellung von Kanonen untersuchte. Thompsons Ausführungen blieben aber qualitativ und hatten wenig Einfluss auf seine Zeitgenossen.

Clausius gelangen im Laufe seines Forscherlebens zwei wichtige Beiträge zur modernen Thermodynamik. Zum einen war er der Begründer der kinetischen Gastheorie: Er formulierte eine mechanische Wärmetheorie, die er auf die Bewegungen von Molekülen zurückführte. Auf ihn geht auch die Einführung der mittleren freien Weglänge in einem Gas zurück. Zum anderen beschrieb Clausius, aufbauend auf den Arbeiten von Julius Robert Mayer und Sadi Carnot, die Wärme als einen Energiefluss, dessen Richtung durch die Maximierung der Entropie gegeben ist.

Seinen ersten Kontakt mit der Wärmetheorie hatte Clausius 1843 als Student. Er gehörte zu den frühen Teilnehmern des später berühmten physikalischen Kolloquiums von Gustav Magnus, in dem Studenten über aktuelle Veröffentlichungen referierten. Clausius Thema war die von Sadi Carnot verfasste Arbeit über den Kreisprozess. Der bereits mit 36 Jahren verstorbene französische Ingenieur hatte – inspiriert durch den Wunsch, die Effizienz von Dampfmaschinen zu steigern – festgestellt, dass sich Wärme nicht beliebig in mechanische Arbeit überführten lässt. 1824 schloss er, der von ihm erdachte Kreisprozess erlaube die effektivste Ausnutzung der Wärme.

Carnots Arbeit war zu seinen Lebzeiten wenig bekannt. Erst die mathematische Beschreibung des Kreisprozesses durch seinen Landsmann Emile Clapeyron im Jahr 1834 führte zur Verbreitung von Carnots Ideen. Wegen ihrer Wichtigkeit war die Fassung Clapeyrons 1843 in den Annalen der Physik in deutscher Übersetzung abgedruckt worden. 1850 erschien Clausius‘ erste bedeutende Arbeit, in der er die aufgenommene Wärme Q und die verrichtete Arbeit W im Carnotschen Kreisprozess durch die Einführung einer neuen Zustandsfunktion U zueinander in Beziehung setzte. Die Gleichung dU = dQ + dW erklärte er zum fundamentalen Prinzip der gesamten Wärmelehre, später zum ersten Hauptsatz der Thermodynamik.

Wie bereits Carnot stellte Clausius fest, dass der Kreisprozess nicht reversibel ist; Wärme fließt nicht ohne Aufwendung von Arbeit von einem kälteren zu einem wärmeren Reservoir. Dieses, den Prinzipien der klassischen Mechanik widersprechende Ergebnis, erhob er zum zweiten fundamentalen Prinzip der gesamten Wärmelehre. 15 Jahre später sollte er es über die Einführung einer neuen Zustandsfunktion, der Entropie, präzisieren.

„Clausius brachte damit zwar keine neuen physikalischen Inhalte ins Spiel, sondern prägte nur einen neuen Ausdruck für etwas, das bisher durch mathematische Formeln und eher schwerfällige Umschreibungen dargestellt worden war, doch hatte dies einen unzweifelhaften Einfluss auf die weitere Entwicklung“, urteilte 2006 der italienische Theoretiker und Experte für die Geschichte der Thermodynamik, Carlo Cercignani in seinem Artikel im Physik Journal (vgl. unten). Clausius zeigte, dass es für jedes thermodynamische System eine Funktion seines Zustandes gibt, seine Entropie, die er mit S bezeichnete. Diese kann innerhalb eines geschlossenen Systems nicht abnehmen. Noch zu Clausius Lebzeiten gab Ludwig Boltzmann eine statistische Deutung des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik.

Clausius wurde 1822 geboren, als sechstes von 18 Kindern eines Schulrats im pommerschen Köslin. Seine berufliche Laufbahn begann er als Lehrer am renommierten Berliner Friedrich-Werder-Gymnasium, wobei er gleichzeitig auf dem Gebiet der meteorologischen Optik forschte: Seine Doktorarbeit verfasste er zur Reflexion des Sonnenlichts in der Atmosphäre. Da er die Arbeit nicht – wie an der Universität Berlin gefordert – in Latein abfassen wollte, reichte er sie in Halle ein. Dort wurde er im Juli 1848 promoviert. 1850 habilitierte er sich an der Universität Berlin.

Dass sich die theoretische Physik damals noch nicht als Disziplin etabliert hatte, bekam Clausius in den folgenden Jahren bei seiner Bewerbung auf den Heidelberger Physik-Lehrstuhl zu spüren. 1854 stand er auf der Liste der potenziellen Kandidaten, erhielt jedoch keinen Ruf, weil aus seinen Publikationen nicht hervorging, ob er experimentieren konnte. Da seine Tätigkeit auch die Leitung der physikalischen Sammlung einschloss, fiel die Wahl schließlich auf Gustav Robert Kirchhoff.

So unterrichtete Clausius von 1850 bis zu seinem Ruf an die Polytechnische Hochschule in Zürich im Jahr 1855 an der Berliner „Vereinigten Artillerie- und Ingenieurschule“. Nachdem er finanziell abgesichert war, heiratete Clausius 1859 im Alter von 39 Jahren. Seine Frau starb 1875 bei der Geburt des sechsten Kindes. Zu dieser Zeit hatte Clausius bereits seine Lebensstellung in Bonn angetreten, wo er von 1869 bis zu seinem Tod blieb. 1870 meldete sich der patriotisch gesonnene Wissenschaftler als Anführer eines Sanitätskorps im deutsch-französischen Krieg. Er wurde am Knie verletzt, was ihm fortan Schmerzen verursachte. Clausius galt als wenig kommunikativ und hatte kaum direkte Schüler. Clausius starb am 24. August 1888 in Bonn.

Anne Hardy

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