16.08.2023 • BiophysikAtome und Moleküle

Dem Ursprung des Lebens auf der Spur

Physikalisches Modell erklärt Clusterbildung katalytisch aktiver Moleküle.

Ein mögliches Szenario für den Ursprung des Lebens ist die spontane Organisation von inter­agierenden Molekülen zu zellartigen Tröpfchen. Diese bilden in der Folge die ersten selbst­repli­zierenden Stoffwechsel­zyklen, welche in der Biologie weit verbreitet und in allen Organismen zu finden sind. Diesem Szenario nach müssten sich die ersten Biomoleküle dabei durch langsame, überwiegend ineffiziente Prozesse zusammen­schließen. Eine solch langsame Cluster­bildung scheint unvereinbar mit der Geschwindigkeit, mit der das Leben entstanden ist. Wissen­schaftler der Abteilung Physik der lebenden Materie des MPI für Dynamik und Selbst­organisation haben in Göttingen schlagen jetzt ein alternatives Modell vor, das eine solche Clusterbildung von katalytisch aktiven Molekülen und damit das schnelle Einsetzen der für die Entstehung von Leben erforderlichen chemischen Reaktionen erklärt.

Abb.: Ein neues Modell beschreibt die Selbst­orga­ni­sa­tion von...
Abb.: Ein neues Modell beschreibt die Selbst­orga­ni­sa­tion von kata­ly­tischen Mole­külen, die an Stoff­wechsel­zyklen be­tei­ligt sind. Ver­schie­dene Arten von Kata­ly­sa­toren (dar­ge­stellt durch unter­schied­liche Farben) bilden Cluster und können sich gegen­seitig ver­folgen. (Bild: V Novak, MPI-DS)

„Dazu haben wir verschiedene Moleküle in einem einfachen Stoffwechsel­zyklus betrachtet, bei dem jedes Molekül oder Partikel eine Chemikalie produziert, die von dem nächsten verwendet wird“, berichtet Vincent Ouazan-Reboul. „Die einzigen Bestandteile des Modells sind dabei die katalytische Aktivität der Moleküle, ihre Fähigkeit einem selbsterzeugten Konzentrations­gradienten der Chemikalien zu folgen, sowie die Information über die Reihenfolge der Moleküle im Zyklus.“ Unter diesen Voraus­setzungen zeigt das Modell die Bildung von katalytischen Clustern, die verschiedene Molekülarten enthalten. Das Wachstum von Clustern erfolgt zudem exponentiell: Die Moleküle können sich also sehr schnell und in großer Zahl zu dynamischen Strukturen zusammensetzen.

Darüber hinaus spielt die Anzahl der Molekül­spezies, die am Stoffwechsel­zyklus teilnehmen, eine Schlüsselrolle für die Struktur der gebildeten Cluster. „Unser Modell führt zu einer Fülle komplexer Szenarien für die Selbst­organi­sation und macht spezifische Vorhersagen über funktionelle Vorteile, die sich bei einer ungeraden oder geraden Anzahl von beteiligten Spezies ergeben“, betont Ramin Golestanian. „Bemerkenswert ist, dass die nicht-reziproken Inter­aktionen als notwendiger Bestandteil in unserem vorge­schlagenen Szenario in allen Stoffwechsel­zyklen zu beobachten sind.“

In einer weiteren Studie fanden die Forscher heraus, dass Selbst­anziehung von Molekülen für die Clusterbildung in einem kleinen Stoffwechsel­netzwerk nicht erforderlich ist. Stattdessen können Netzwerk­effekte dazu führen, dass sich sogar eigentlich abstoßende Molekül­spezies zu Gruppen zusammen­schließen. Damit zeigen die Forscher neue Bedingungen auf, unter denen komplexe Wechsel­wirkungen selbst­organi­sierte Strukturen schaffen können. Insgesamt fügen die neuen Erkenntnisse der Theorie zur Entstehung des Lebens aus einfachen Molekülen einen weiteren Mechanismus hinzu. Sie decken auf, wie an Stoffwechsel­netzwerken beteiligte Moleküle selbst­ständig komplexe Strukturen bilden können.

MPI-DS / RK

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