23.09.2021 • KernphysikMedizinphysik

Besserer Zugang zu neuen Radionukliden

PRISMAP – ein europäisches Programm für medizinische Radionuklide.

Nukleartherapie und molekulare Bild­gebung werden in Kranken­häusern in großem Umfang für neue, viel­ver­sprechende medizinische Verfahren eingesetzt. Sie können die Behandlungs­ergebnisse bei vielen Erkrankungen verbessern und ermöglichen die Behandlung von streuenden Tumoren. Die eingeschränkte Verfüg­barkeit von Radio­nukliden, die nicht kommerziell erhältlich sind, machte auch deren effektive Weiter­ent­wicklung schwierig. Mit PRISMAP – dem europäischen Programm für medizinische Radio­nuklide – soll sich das jetzt ändern.

Abb.: Diese 3D-Grafik zeigt die Spal­la­tions­neu­tro­nen­quelle SINQ,...
Abb.: Diese 3D-Grafik zeigt die Spal­la­tions­neu­tro­nen­quelle SINQ, die am PSI zur Her­stel­lung von Radio­nu­kli­den für me­di­zi­nische Zwecke dient. (Bild: M. Dzam­be­go­vic, PSI)

Von den mehr als dreitausend verschiedenen Radio­nukliden, die Forscher im Labor synthe­tisiert haben, wird nur eine Handvoll regel­mäßig für medizinische Verfahren verwendet. Eine der Haupt­schwierig­keiten bei der Entwicklung neuartiger radio­medi­zinischer Produkte ist der Zugang zu Radio­nukliden während der Entwicklungs- und der frühen bio­medi­zinischen Forschungs­phasen. Im Rahmen von PRISMAP soll diese Entwicklungs­phase durch den Zugang zu neuartigen Radio­nukliden von hoher Reinheit für die medi­­zinische Forschung erleichtert werden.

Die radioaktiven Elemente, die in der Nuklear­medizin verwendet werden, sind in der Natur nicht vorhanden und müssen im Labor synthe­tisiert werden. Es gibt zwei Hauptwege: die Neutronen­bestrahlung in einem Kern­forschungs­reaktor oder die Protonen-, Deuteronen- oder Alpha­bestrahlung mit einem Teilchen­beschleuniger. Die Größe und die Energie des Teilchen­beschleunigers bestimmen, welches Radio­nuklid hergestellt werden kann. Kleine, kompakte Geräte stehen in vielen Kranken­häusern zur Verfügung und ermöglichen den Zugang zu den heute verwendeten Radio­nukliden. Für die Erzeugung neuartiger Radio­nuklide, die derzeit nicht verfügbar sind, werden jedoch Geräte mit höherer Energie benötigt.

Das Paul-Scherrer-Institut in der Schweiz ist als Lieferant von Radio­nukliden einer der Haupt­partner des PRISMAP-Konsortiums. Die PSI-Forscher nutzen SINQ, die Spallations­neutronen­quelle Schweiz, Injektor 2 sowie die Bestrahlungs­station IP2, um Radio­nuklide für medi­zinische Zwecke herzu­stellen.

Bei der Herstellung dieser neuartigen Radio­nuklide treten neue Heraus­forderungen auf: die gleich­zeitige Produktion uner­wünschter Radio­aktivität, die die Qualität des Arznei­mittels beein­trächtigt, nach­teilige Aus­wirkungen auf den Patienten haben könnte und die Abfall­ent­sorgung in Kranken­häusern erschweren kann. Daher sind neuartige Reinigungs­techniken erforderlich. Im Rahmen von PRISMAP werden Verfahren entwickelt, die auf physi­ka­lischer Massen­trennung und Radio­chemie basieren, um eine hoch­reine Radio­nuklid­produktion zu erreichen, die für Arznei­mittel geeignet ist.

Um die laufende Forschung in ganz Europa und darüber hinaus zu unter­stützen, wird PRISMAP sofortigen Zugang zu neuen Radio­nukliden bieten. Über die PRISMAP-Website wurde eine zentrale Zugangs­plattform einge­richtet, auf der die Produktions- und Unter­stützungs­möglich­keiten vorgestellt werden. Ein Netz von weltweit führenden europä­ischen Einrichtungen, darunter Kernreaktoren, Mittel- und Hoch­energie­beschleuniger sowie radio­chemische Labors, wurde gebildet, um eine möglichst breiten Katalog von Radio­nukliden für die medi­zinische Forschung anzubieten. In der MEDICIS-Anlage von CERN steht eine Massen­trennung zur Verfügung, die die physi­ka­lische Trennung von Isotopen eines Elements ermöglicht. Ergänzt wird dies durch ein Netz bio­medi­zinischer Forschungs­einrichtungen, die externe Forscher aufnehmen können, um ihre Forschung in der Nähe der Produktions­anlage durch­zu­führen, wenn die Radio­nuklide nicht für einen langen Transport zu ihrer Einrichtung geeignet sind oder wenn die europäische Zulassung für neuartige Radio­nuklide noch nicht erteilt wurde.

Der Zugang zu den Radio­nukliden und gegebenen­falls zu den ergänzenden bio­medi­zinischen Ein­richtungen kann über die PRISMAP-Online-Plattform beantragt werden. Ein Auswahl­gremium, das sich aus Experten auf den Gebieten der Radio­nuklid­produktion, der moleku­laren Bild­gebung und der Radio­nuklid­therapie zusammen­setzt, wird die besten Projekte unter den Bewerbern auswählen. Die erste Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen wird vor Ende des Jahres 2021 gestartet und soll im ersten Quartal 2022 veröffentlicht werden. Sie wird allen Interessenten offen­stehen.

PSI / RK

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