25.09.2020 • PhotonikAtome und Moleküle

Atombillard mit Röntgenstrahlen

Eine neue Methode für den Blick in das Innere von Molekülen.

Absorption und Emission eines Photons durch ein Atom sind funda­mentale Prozesse der Wechsel­wirkung von Licht mit Materie. Viel seltener finden jedoch auch Prozesse statt, bei denen gleich­zeitig mehrere Photonen mit einem Atom wechsel­wirken. Die Verfüg­barkeit von intensiven Laser­strahlen seit den 1960er Jahren führte zur Entwicklung der nicht­linearen Optik, in der solche Prozesse beobachtet und genutzt wurden. Völlig neue Möglich­keiten eröffnen sich, wenn man nicht­lineare Optik mit Röntgen­strahlung statt sicht­barem Licht betreibt. Die Nutzung ultra­kurzer Röntgen­pulse verspricht dabei eine detail­lierte Einsicht in die Bewegung der Elektronen und Kerne in Molekülen und Fest­körpern.

Abb.: Die zwei skizzierten, funda­mental unter­schied­lichen Prozesse der...
Abb.: Die zwei skizzierten, funda­mental unter­schied­lichen Prozesse der Wechsel­wirkung von Röntgen­licht mit Materie lassen sich mit der neu­artigen Mess­methode klar unter­scheiden. (Bild: S Eisebitt, MBI)

Es war unter anderem diese Aussicht, die weltweit den Bau von Röntgen­lasern auf der Basis großer Teilchen­beschleuniger motiviert hat. Mit der Inbetrieb­nahme European XFEL im Jahr 2017 ist die Wissen­schaft diesem Ziel einen Schritt näher gekommen. Der Fort­schritt in der Nutzung nicht­linearer Prozesse mit Röntgen­strahlung zur Erforschung elementarer Prozesse in Materie war in der Praxis jedoch langsamer als erwartet. „In der Regel über­decken die viel stärkeren linearen Prozesse die interes­santen nicht­linearen Prozesse“, sagt Ulli Eich­mann vom Max-Born-Institut für nicht­lineare Optik und Kurz­zeit­spektro­skopie in Berlin.

Forscher des Max-Born-Instituts, der Universität Uppsala und des European XFEL haben jetzt eine neue Methode entwickelt, um die nicht­linearen Prozesse ohne die störenden linearen Prozesse beobachten zu können. Dazu machte sich das Team den Impuls zunutze, der zwischen Röntgen­licht und Atom ausge­tauscht wird. Nach dem Durch­kreuzen eines Über­schall-Atom­strahls mit dem Röntgen­laser­strahl können die Forscher exklusiv diejenigen Atome identi­fi­zieren, bei denen eine stimu­lierte Raman­streuung statt­ge­funden hat – ein funda­mentaler nicht­linearer Prozess, bei dem zwei Photonen mit verschiedener Wellen­länge einfallen und zwei Photonen mit längeren Wellen­längen das Atom wieder verlassen.

„Photonen können Impuls an das Atom über­tragen – ganz analog wie es beim Stoß zweier Billard­kugeln geschieht“, erklärt Eich­mann. Beim stimu­lierten Raman­prozess verlassen die beiden Photonen das Atom in exakt derselben Richtung wie die zwei ein­fallenden Photonen – das Atom ändert seinen Impuls und damit seine Flug­richtung nicht. Ganz anders bei den ungleich häufigeren linearen Prozessen, bei denen ein Photon zunächst absorbiert wird und später ein anderes Photon emittiert wird. Da das emittierte Photon meist in eine andere Richtung ausgesandt wird, wird das Atom dabei abgelenkt. Durch die Beobachtung der Flug­richtung der Atome konnten die Forscher daher den stimulierten Ramanprozess mit Röntgen­strahlung von den anderen Prozessen eindeutig unter­scheiden.

„Die neue Methode eröffnet besondere Möglich­keiten, wenn wir sie zukünftig mit zeit­ver­zögerten Röntgen­pulsen verschiedener Wellen­länge verwenden, wie man sie seit Kurzem an Röntgen­lasern wie dem European XFEL erzeugen kann“, erklärt Michael Meyer, der an dem europä­ischen Röntgen­laser forscht. Da Röntgen­pulse mit verschiedener Wellen­länge es erlauben, gezielt einzelne Atome in Molekülen zu adressieren, lässt sich so im Detail verfolgen, wie sich die Wellen­funktionen der Elektronen in Molekülen zeitlich entwickeln. Auf lange Sicht hoffen die Wissen­schaftler, diese Entwicklung nicht nur beobachten, sondern auch mithilfe maß­ge­schneiderter Laser­pulse beeinflussen zu können.

„Unser Ansatz ermöglicht es, chemische Reaktionen auf atomarer Ebene zukünftig besser zu verstehen und möglicher­weise sogar zu beeinflussen“, erläutert Jan-Erik Rubensson von der Universität Uppsala. „Da die Verschiebung von Elektronen der essen­zielle Schritt in chemischen und photo­chemischen Prozessen ist, wie sie zum Beispiel in Batterien und Solar­zellen statt­finden, kann unser Ansatz lang­fristig auch für solche Prozesse neue Aufschlüsse bringen.“

FV Berlin / RK

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