Ein zentraler Punkt ist die exakte, quantitative Diagnose der Hörbeeinträchtigung jedes Patienten. „Wir möchten Audiologie in eine exakte Wissenschaft verwandeln“, erklärt der Sprecher des Clusters, Birger Kollmeier, der als Physiker und Arzt in beiden Kerndisziplinen zuhause ist. Die Forscher möchten herausfinden, was die wichtigsten Kenngrößen sind, um Hörhilfen individuell anpassen und Interventionsmaßnahmen spezifisch planen zu können. In den ersten anderthalb Jahren der Förderperiode haben Kognitionspsychologen, Mediziner und Physiker eng auf diesem Gebiet zusammen gearbeitet, Ansätze entwickelt und Patientendaten erhoben. „Nun geht es in die Modellierungsphase, damit wir die Auswirkung von Hörpathologien auf die Signalverarbeitung exakt beschreiben können“, führt Kollmeier aus. Im nächsten Schritt gilt es, in komplexen Szenarien wie der eingangs erwähnten Party diejenigen Signale herauszufiltern, die das Hörgerät an den Patienten weiterleitet. Das ist ein Problem der Klassifizierung, denn das Gerät muss zunächst lernen, was Sprache ist und was nicht. „Bei der Klassifizierung haben wir in den letzten eineinhalb Jahren ordentlich Fortschritte erzielen und sogar einen internationalen Wettbewerb gewinnen können“, freut sich Birger Kollmeier.
Nach der erfolgreichen Klassifizierung muss das Hörgerät bzw. Cochlea-Implantat zudem wissen, welches die gewünschten Sprachsignale sind, also die Worte meiner Partybegleitung und nicht die Gespräche anderer Gäste. Dazu kommen sog. Brain-Computer-Interfaces zum Einsatz. Diese Systeme nehmen beim Menschen ein Elektroenzephalogramm (EEG) auf, um die Verarbeitung akustischer Signale im Gehirn zu verfolgen. Das Gehirn eines nicht hörgeschädigten Menschen verfügt über effiziente Vorhersagemechanismen, die es ihm erlauben, die Aufmerksamkeit im richtigen Moment auf den Gesprächspartner zu lenken. Gelingt es, diese Prozesse zu verstehen, könnte man dieses Wissen nutzen, um das gewünschte akustische Signal mittels Hörhilfe zum richtigen Zeitpunkt zu verstärken. Erste Erfolge sind bereits zu verzeichnen: „Wir haben das EEG-System inzwischen so miniaturisiert, dass es im Prinzip drahtlos in eine Baseball-Kappe passt“, erklärt Kollmeier. Zudem konnten die Wissenschaftler eine vereinfachte Situation, in der sich zwei Schallquellen abwechseln, im EEG erfassen. In der Realität überlagern sich allerdings meist mehrere Signale...