08.02.2024

Verborgene Symmetrie in Spin-Eis enthüllt

Verschiedene chirale Ordnungen mit gleicher Magnetisierung aber unterschiedlichem Drehsinn.

Augsburger Physikern gelingt die Unterscheidung von chiralen Ordnungen mit gleicher Magneti­sierung aber unter­schiedlichem Drehsinn mittels elektrischer Messungen bei tiefen Temperaturen. Dies ist relevant für die Grundlagen­forschung komplexer Magnete und im Hinblick auf mögliche Anwendungen für die magnetische Daten­speicherung. 

Abb.: Die Untersuchungen wurden am magnetischen Metall HoAgGe durchgeführt.
Abb.: Die Untersuchungen wurden am magnetischen Metall HoAgGe durchgeführt.
Quelle: P. Gegenwart, U. Augsburg

Elektrische Ströme und das Auftreten magnetischer Kräfte sind unmittelbar miteinander verknüpft. Ein stromdurch­flossenes Kabel erzeugt ein ringförmiges Magnetfeld. Umgekehrt lenkt ein Magnetfeld aufgrund des Hall-Effekts die elektrisch geladenen Teilchen senkrecht zur Strom- und zur Magnetfeld­richtung ab. Der normale Hall-Effekt erlaubt das Bestimmen von Ladungsträger-Konzentrationen und Beweglichkeiten. Ein zusätzlicher anomaler Beitrag zum Hall-Effekt tritt in Magneten auf. Am Institut für Physik der Universität Augsburg wurde nun entdeckt, dass dieser anomale Hall-Effekt verborgene Symmetrien aufdecken kann.

„Für Zustände mit gleicher Magnetisierung haben wir bei unseren Hall-Spannungs­messungen unterschiedliche Werte beobachtet. Das ist ein überraschendes Ergebnis“, erklärt Philipp Gegenwart. Die Untersuchungen wurden am magnetischen Metall HoAgGe durchgeführt, in welchem vor vier Jahren ein besonderes magnetisches Verhalten entdeckt wurde. Dieses Material zeichnet sich durch Dreiecks­konfigurationen atomarer Elektronenspins der Holmium-Atome aus. Wie bei Dreiecks­beziehungen üblich, können nicht alle paarweisen Wechselwirkungen gleichzeitig vollständig erfüllt werden, sodass sich ein magnetisch frustrierter Zustand ergibt. In diesem haben mehrere Spin-Konfigurationen pro Dreieck die gleiche Energie. Dieser Zustand wird Kagome-Spin-Eis genannt, da die Spins auf an Ecken miteinander verbundenen Dreiecken, wie bei geflochtenen japanischen „Kagome“-Körben angeordnet sind und zudem ähnliche Regeln wie bei gefrorenem Wasser, also Eis, die erlaubten Anordnungen der magnetischen Momente bestimmen.

Anders als bei einem normalen Magneten sind die magnetischen Momente in Kagome-Spineis nicht alle entlang einer Richtung ausgerichtet, sondern zeigen komplexe Muster mit unters­chiedlicher Chiralität, also unterschiedlichem Drehsinn. Diese Muster werden durch ein angelegtes Feld bei tiefen Temperaturen erzeugt und weisen jeweils Plateaus mit gebrochenzahligen Werten, wie 1/3 und 2/3 der Magnetisierung auf. Nun wurde der anomale Hall-Effekt systematisch bei tiefer Temperatur untersucht und analysiert. Überraschender­weise wurden deutlich unterschiedliche Werte für die beiden Muster mit der 1/3-Magnetisierung beobachtet.

Die Modellierung der Daten zeigt, dass dies mit einer besonderen und verborgenen Symmetrie­eigenschaft zu tun hat: um vom einen in das andere Muster zu gelangen, müssen eine 180°-Drehung und eine Verzerrungs­umkehr kombiniert werden. Bei Streuung von Leitungs­elektronen an den beiden Mustern führt dies zu einer unter­schiedlichen Krümmung der Phase der Wellenfunktionen und dies verursacht einen unter­schiedlichen anomalen Hall-Effekt, trotz gleicher Energie und Magnetisierung.

Generell zeigt dies ein neues Potential von Messungen des anomalen Hall-Effekts in magnetisch frustrierten Metallen, um verborgene Symmetrien und Zustände mittels elektrischer Messungen aufzudecken. „Dies könnte auch interessant im Hinblick auf permanente magnetische Daten­speicherung auf kleinst­möglicher atomarer Skala sein“, sagt Gegenwart. Voraus­setzung hierfür sei aber eine lokale Adressierung und gezielte Schaltung des Drehsinns der Muster.

U. Augsburg / JOL

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