25.04.2024

Ungleiches Sternpaar

Verschmelzung zweier Sterne erzeugt ungewöhnliches Binärsystem.

Als Astronomen ein Sternpaar im Herzen einer eindrucksvollen Gas- und Staubwolke beobachteten, erlebten sie eine Überraschung. Sternpaare sind sich normalerweise sehr ähnlich, wie Zwillinge. Doch bei HD 148937 scheint ein Stern jünger und im Gegensatz zum anderen magnetisch zu sein. Neue Daten der Europäischen Südsternwarte (ESO) deuten darauf hin, dass das System ursprünglich aus drei Sternen bestand, bis zwei von ihnen zusammenstießen und verschmolzen. Durch dieses einschneidende Ereignis entstand die umgebende Wolke und veränderte das Schicksal des Systems für immer.


Abb.: Der Nebel (NGC 6164/6165), der HD 148937 umgibt, im sichtbaren Licht...
Abb.: Der Nebel (NGC 6164/6165), der HD 148937 umgibt, im sichtbaren Licht betrachtet
Quelle: ESO / VPHAS+ team / CASU

Beim Recherchieren der Hintergründe fiel mir auf, wie besonders dieses System zu sein schien“, sagt Abigail Frost. Sie ist Astronomin bei der ESO in Chile und Hauptautorin der neuen Studie. Das System, HD 148937, befindet sich etwa 3800 Lichtjahre von der Erde entfernt in Richtung des Sternbilds Norma. Es besteht aus zwei Sternen, die viel massereicher sind als die Sonne und von einem wunderschönen Nebel, einer Wolke aus Gas und Staub, umgeben sind. „Ein Nebel, der zwei massereiche Sterne umgibt, ist eine Seltenheit, und wir hatten wirklich das Gefühl, dass in diesem System etwas Außergewöhnliches passiert sein muss. Als wir uns die Daten ansahen, wurde die Verblüffung nur noch größer.“

Nach einer detaillierten Analyse konnten wir feststellen, dass der massereichere Stern viel jünger zu sein scheint als sein Begleiter, was keinen Sinn ergibt, da sie zur gleichen Zeit entstanden sein müssten!“, sagt Frost. Der Altersunterschied – der eine Stern scheint mindestens 1,5 Millionen Jahre jünger zu sein als der andere – deutet darauf hin, dass etwas den massereicheren Stern verjüngt haben muss.

Ein weiteres Teil des Puzzles ist der Nebel, der die Sterne umgibt, bekannt als NGC 6164/6165. Er ist 7500 Jahre alt, also Hunderte Male jünger als die beiden Sterne. Der Nebel weist auch sehr hohe Mengen an Stickstoff, Kohlenstoff und Sauerstoff auf. Dies verwundert, da diese Elemente normalerweise tief im Inneren eines Sterns und nicht außerhalb erwartet werden; es scheint, als ob ein gewaltsames Ereignis sie freigesetzt hätte.

Um das Geheimnis zu lüften, sammelte das Team Daten aus neun Jahren mit den Instrumenten Pionier und Gravity, die beide am Very Large Telescope Interferometer (VLTI) der ESO in der chilenischen Atacamawüste installiert sind. Sie verwendeten außerdem Archivdaten des Feros-Instruments am La Silla-Observatorium der ESO.

Wir gehen davon aus, dass dieses System ursprünglich aus mindestens drei Sternen bestand, von denen zwei zu einem bestimmten Zeitpunkt ihrer Umrundung sehr nahe beieinander lagen, während ein anderer Stern viel weiter entfernt war“, erklärt Hugues Sana, Professor an der KU Leuven in Belgien und Hauptverantwortlicher für die Beobachtungen. „Die beiden inneren Sterne verschmolzen auf gewaltsame Weise, wodurch ein magnetischer Stern entstand. Dabei wurde einiges an Material herausgeschleudert, das den Nebel entstehen ließ. Der weiter entfernte Stern bildete eine neue Umlaufbahn mit dem neu verschmolzenen, nun magnetischen Stern, wobei der Doppelstern entstand, den wir heute im Zentrum des Nebels sehen.“

Das Fusionsszenario hatte ich bereits 2017 im Kopf, als ich Nebelbeobachtungen mit dem Herschel-Weltraumteleskop der Europäischen Weltraumorganisation untersuchte“, fügt Mitautor Laurent Mahy hinzu, derzeit leitender Forscher am Königlichen Observatorium von Belgien. „Die Entdeckung einer Altersdiskrepanz zwischen den Sternen deutet darauf hin, dass dieses Szenario das plausibelste ist, und nur die neuen ESO-Daten konnten es bestätigen.“

Dieses Szenario erklärt auch, warum einer der Sterne in diesem System magnetisch ist und der andere nicht – eine weitere Besonderheit von HD 148937, die in den VLTI-Daten entdeckt wurde. Gleichzeitig hilft es, ein langjähriges Rätsel der Astronomie zu lösen: nämlich wie massereiche Sterne ihre Magnetfelder erhalten. Während Magnetfelder bei massearmen Sternen wie unserer Sonne üblich sind, können massereichere Sterne Magnetfelder nicht auf die gleiche Weise aufrechterhalten. Dennoch sind einige massereiche Sterne tatsächlich magnetisch.

Astronomen hatten schon seit einiger Zeit vermutet, dass massereiche Sterne bei der Verschmelzung zweier Sterne Magnetfelder entwickeln können. Jetzt haben die Forscher zum ersten Mal direkte Beweise für diesen Vorgang gefunden. Im Falle von HD 148937 muss die Verschmelzung erst in jüngster Vergangenheit stattgefunden haben. „Man nimmt an, dass der Magnetismus in massereichen Sternen im Vergleich zur Lebensdauer des Sterns nicht sehr lange anhält. Es scheint also, dass wir dieses seltene Ereignis sehr kurz nach seiner Entstehung beobachtet haben“, fügt Frost hinzu.

MPIA / DE

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