29.04.2024

Magnetisch dank Wasserstoff

Besser kontrollierbare Eigenschaften von zweidimensionalen Materialien.

Magnetische zwei­dimensionale Schichten, die aus einer oder wenigen Atomlagen bestehen, versprechen interes­sante Anwendungen, zum Beispiel für die Elektronik der Zukunft. Bislang jedoch gelingt es noch nicht gut genug, die magnetischen Zustände dieser Materialien gezielt zu kontrol­lieren. Ein deutsch-ameri­kanisches Forschungs­team unter der Federführung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) und der TU Dresden stellt nun eine originelle Idee vor, mit der sich dieses Manko beheben ließe – und zwar indem man die 2D-Schicht mit Wasser­stoff reagieren lässt.

Abb.: Änderung der Magnetisierungsdichte des 2D-Materials Cadmiumtitanat nach...
Abb.: Änderung der Magnetisierungsdichte des 2D-Materials Cadmiumtitanat nach der Hydrogenisierung, wobei die passivierte atomare Struktur überlagert ist.
Quelle: T. Barnowsky, HZDR

Aufgrund ihrer speziellen Eigenschaften bietet die noch junge Klasse der 2D-Materialien spannende Perspektiven für die Spintronik und die Daten­speicherung. 2017 entdeckte die Fachwelt eine neue Variante – 2D-Materialien, die magnetisch sind. Allerdings lassen sich diese Systeme bislang nur schwer durch gezielte chemische Einflüsse zwischen zwei magnetischen Zuständen hin- und herschalten – was die Voraus­setzung für den Bau neuartiger elektronischer Bauteile wäre. Um diesen Makel zu beheben, nahm ein Forschungsteam um den Nachwuchsgruppen­leiter Rico Friedrich eine spezielle Gruppe von 2D-Materialien ins Visier: Schichten, die aus Kristallen gewonnen werden, in denen relativ starke chemische Bindungen bestehen – nicht-van der Waals 2D Materialien.

Vor zwanzig Jahren konnten die späteren Physiknobel­preisträger Konstantin Novoselov und Andre Geim erstmals ein 2D-Material gezielt herstellen: Mit Klebeband zogen sie von einem Graphit­kristall eine dünne Schicht ab und isolierten dadurch einlagigen Kohlenstoff, das Graphen. Der simple Trick gelang, weil im Graphit die einzelnen Schichten chemisch nur lose gebunden sind. Genau das macht es übrigens auch möglich, mit einem Bleistift Striche aufs Papier zeichnen zu können. „Erst in den letzten Jahren gelang es mit flüssigkeits­basierten Verfahren, einzelne Lagen von Kristallen abzulösen, in denen die Schichten viel stärker gebunden sind als in Graphit“, sagt Rico Friedrich. „2D-Materialien, die man dadurch erhält, sind dann chemisch deutlich aktiver als zum Beispiel Graphen.“ Der Grund: Diese Schichten besitzen an ihrer Oberfläche unge­sättigte chemische Bindungen und haben dadurch die starke Neigung, sich mit anderen Stoffen zu verbinden.

Friedrich und sein Team kamen auf folgende Idee: Würde man die reaktionsfreudige Oberfläche dieser 2D-Materialien mit Wasserstoff reagieren lassen, sollten sich dadurch insbesondere die magne­tischen Eigenschaften der dünnen Schichten gezielt beeinflussen lassen. Allerdings war unklar, welche der 2D-Systeme dafür besonders geeignet sind. Um das zu beantworten, durchforsteten die Fachleute ihre zuvor entwickelte Datenbank aus 35 neuartigen 2D-Materialien und stellten detaillierte und umfangreiche Berechnungen mit Hilfe der Dichtefunktional­theorie an. Die Heraus­forderung war, die Stabilität der Wasserstoff-passi­vierten Systeme nach energetischen, dynamischen sowie thermischen Aspekten sicher­zustellen und den korrekten magnetischen Zustand ausfindig zu machen – eine Aufgabe, die nur mit Unterstützung mehrerer Hoch­leistungs-Rechen­zentren gelingen konnte.

Als die Fleißarbeit erledigt war, blieben vier vielver­sprechende 2D-Materialien übrig. Diese nahm die Arbeitsgruppe noch einmal genauer unter die Lupe. „Am Ende konnten wir drei Kandidaten identifizieren, die durch Wasserstoff­passivierung magnetisch aktivierbar sein sollten“, berichtet Friedrich. Als besonders bemerkenswert erwies sich Cadmiumtitanat (CdTiO3) – es wird durch den Einfluss des Wasserstoffs ferro­magnetisch, also zu einem Dauermagneten. Die drei mit Wasserstoff behandelten Kandidaten sollten sich magnetisch gut kontrol­lieren lassen und könnten somit für neuartige elek­tronische Komponenten taugen. Da diese Schichten extrem dünn sind, könnten sie sich gut in flache Bauelemente integrieren lassen.

„Im nächsten Schritt geht es darum, unsere theoretischen Erkenntnisse experimentell zu bestätigen“, erzählt Rico Friedrich. „Und das versuchen auch schon mehrere Forschungsteams, etwa an der Universität Kassel und am Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoff­forschung in Dresden.“ Aber auch am HZDR und der TU Dresden gehen die Arbeiten an den 2D-Materialien weiter: Unter anderem tüfteln Friedrich und seine Leute an neuartigen 2D-Materialien, die langfristig für die Energie­umwandlung und -speicherung relevant sein könnten. Im Fokus steht unter anderem die mögliche Spaltung von Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff. Der dadurch gewonnene grüne Wasserstoff könnte dann beispiels­weise als Energie­speicher für Zeiten fungieren, in denen bei Dunkelheit und Flaute zu wenig Solar-und Windstrom zur Verfügung steht.

HZDR / JOL

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