16.05.2019

Gasleck im Meeresboden

Sicherheit der submarinen Speicherung von Kohlendioxid wird überprüft.

Realistische Abschätzungen zeigen, dass sich die Klima­erwärmung nur dann noch unter anderthalb oder zwei Grad begrenzen lässt, wenn Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernt wird. Speicherung unterhalb des Meeresbodens ist eine Option, die von einem internationalen Forscherteam unter der Leitung des Geomar Helmholtz-Zentrums für Ozean­forschung in Kiel intensiv untersucht wurde. Die Ergebnisse zeigen sowohl Möglich­keiten als auch Risiken auf.

Abb.: Blick vom Forschungsschiff Poseidon auf das britische Forschungsschiff...
Abb.: Blick vom Forschungsschiff Poseidon auf das britische Forschungsschiff RRS James Cook bei der Gasförderplattform Goldeneye vor Schottland während des aktuellen Freisetzungsexperiments. (Bild: P. Linke, Geomar)

Es ist möglich, die anthro­pogenen CO2-Emissionen zu reduzieren, indem COaus Abgasen entfernt und in geologischen Formationen gespeichert wird. Negative Emissionen können durch die Kopplung der Biogaserzeugung mit CO2-Abscheidung und Speicherung erzielt werden. Bewertungen des Weltklima­forschungsrats IPCC zeigen, dass diese Ansätze wesentliche Bestandteile des Technologie­mixes sind, der zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf unter zwei Grad Celsius erforderlich ist. 

In Europa befindet sich das größte CO2-Speicher­potenzial vor der Nordseeküste in tiefen salzhaltigen Grundwasser­leitern und in anderen tief unter dem Meeresboden gelegenen geologischen Formationen. In den letzten Jahrzehnten wurden jedoch mehr als 10.000 Bohrungen in den Meeresboden der Nordsee niedergebracht, um Öl und Gas zu fördern. An vielen dieser Bohrlöcher tritt Methangas aus organisch gebildeten Abla­gerungen in die Umwelt aus, da die umgebenden Sedimente während des Bohr­prozesses mechanisch gestört und geschwächt wurden. Kohlendioxid, das in der Nähe solcher Bohrlöcher gespeichert wird, könnte die Speicher­formation ebenfalls verlassen, ins Meer­wasser entweichen und schließlich in die Atmosphäre zurückkehren.

„Wir haben im norwe­gischen Teil der Nordsee ein Freisetzungs­experiment durchgeführt, um die Signatur und die Folgen eines solchen Lecks zu bestimmen“, erläutert Lisa Vielstädte vom Geomar. Am Meeresboden wurde in 82 Metern Wassertiefe COmit einer Rate von 31 Tonnen pro Jahr freigesetzt, was am oberen Ende des Bereichs der Methan­emissionen liegt, die an undichten Bohrungen beobachtet wurde. Das freigesetzte COwurde mit Hilfe eines fern­gesteuerten Unterwasser­fahrzeugs mit chemischen und akustischen Sensoren und zusätzlichen Messungen an Bord des irischen Forschungs­schiffes Celtic Explorer verfolgt. Das Experiment ist ein Beitrag zum europäischen Projekt ECO2.

„Unsere Daten zeigen, dass sich die CO2-Gasblasen in Bodennähe vollständig gelöst haben“, so Vielstädte. Der pH-Wert des umgebenden Boden­wassers wurde infolge des Auflösungs­prozesses von einem Hinter­grundwert von 8,0 auf einen saureren Wert von 7,0 an der Freisetzungs­stelle reduziert. „Diese Versauerung des Bodenwassers wirkt sich nachteilig auf die am Meeresboden lebenden Organismen aus“, erklärt Klaus Wallmann, Projektleiter von ECO2. „Aber die dort vorhandenen starke Boden­strömungen verteilen das gelöste COrasch, so dass dies Fläche am Meeresboden, auf der potenziell schädliche Auswirkungen auftreten können, gering ist“, so Wallmann weiter. Die Fläche, auf der der pH-Wert um mehr als 0,2 Einheiten zurückging, lag bei etwa fünfzig Quadratmetern.

„Zusammen­fassend können wir sagen, dass die Beobachtungen und die begleitende Modellierung bestätigten, dass Leckagen an Bohrlöchern die lokalen Ökosysteme in unmittel­barer Nähe des Bohrlochs beein­trächtigen können, jedoch keine großen schädlichen Auswirkungen auf das Ökosystem der Nordsee haben. Wir kommen daher vorläufig zu dem Schluss, dass es möglich ist, COsicher in Formationen unter dem Meeresboden zu speichern, wenn sich der Speicherort in einem Gebiet mit wenigen undichten Bohr­löchern befindet“, so Wallmann. 

In diesem Monat wird vom europäischen Projekt STEMM-CCS ein zweites Freisetzungs­experiment in der Nordsee durchgeführt. Hochempfindliche Sensoren und Überwachungs­geräte werden eingesetzt, um das freigesetzte COzu verfolgen und die Auswirkungen auf die Umwelt zu untersuchen. Mithilfe dieser zusätz­lichen Daten werden wir die Sicherheit von Speicher­stätten in der Nordsee und ihren potenziellen Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels weiter validieren.

Geomar / JOL

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