28.06.2012

Die Kernprobleme der Physik

Heute wäre Carl Friedrich von Weizsäcker 100 Jahre alt geworden. Seine Erkenntnisse zur Kernphysik haben bis heute Bestand.

„Wenn Sie mal Philosophie studieren wollen, müssen Sie auch Physik treiben. Das erste ist heutzutage ohne das zweite unvollständig. Physik muß man aber als ganz junger Mann anfangen. Philosophieren dagegen kann man bis ins hohe Alter.“ Mit diesen Worten ermunterte Werner Heisenberg den 14-jährigen Schüler Carl Friedrich von Weizsäcker zum Studium der Physik. Mit Erfolg: Nur wenige Jahre später galt von Weizsäcker als einer der brillantesten Schüler Heisenbergs und promovierte an der Universität Leipzig mit nur 21 Jahren über das Thema: „Durchgang schneller Korpuskularstrahlen durch ein Ferromagnetikum“. Nur drei Jahre später habilitierte er „Über die Spinabhängigkeit der Kernkräfte“.

Heute kennt man Carl Friedrich von Weizsäcker hauptsächlich als Philosoph und Friedensforscher. Dazu kommt seine ambivalente Rolle in Bezug auf die Atombombe: Immer wieder flammt die Diskussion darüber auf, welche Rolle er tatsächlich bei den Bemühungen um eine deutsche Atombombe im Dritten Reich gespielt hat. Unbestritten ist, dass er 1957, nicht zuletzt geläutert durch die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki, als federführendes Mitglied der „Göttinger 18“ eindrücklich vor den Gefahren einer atomaren Bewaffnung der Bundesrepublik gewarnt hat.

Als Carl Friedrich von Weizsäcker 2007 im Alter von 94 Jahren starb, würdigten Weggefährten, Schüler und Wissenschaftshistoriker in einem umfangreichen Nachruf im Physik Journal die enorme Bandbreite seines Werkes, durch das er sicher zu Recht als Universalgelehrter gilt. In der breiten Öffentlichkeit weniger bekannt ist, dass er in seinen akademischen Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg wesentliche Beiträge zur Physik und frühen Kosmologie geliefert hat. Daher nimmt das Physik Journal den 100. Geburtstag zum Anlass, den Physiker Carl Friedrich von Weizsäcker zu würdigen. Klaus Blaum vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg und Michael Wiescher von der University of Notre Dame in Indiana (USA) stellen in íhrem Überblicksartikel von Weizsäckers bleibende Verdienste für die Kernphysik und ihre nachhaltige Wirkung vor.

Dazu zählt zunächst die 1935 veröffentlichte Massenformel, die von Weizsäcker 1937 in seinem Buch zur Physik der Atomkerne ausführlich präsentierte und die das Grundgerüst zur Kernphysik mit einer phänomenologischen Beschreibung der Kernmassen liefert. Noch heute gilt sie, theoretisch verfeinert, als Grundstock und Maßstab, um die Masse von Kernen fernab der Stabilitätslinie vorherzusagen. Basierend auf diesen Ergebnissen erkannte von Weizsäcker die Bedeutung seiner Massenformel für die Energieproduktion und die Synthese der Elemente in Sternen. Daraus entstand 1937 ein erstes Modell („Aufbauhypothese“) für den graduellen Aufbau der Elemente durch eine Serie von Reaktionen, bei denen Atomkerne Protonen und (bei höheren Massen) Neutronen einfangen.

Beide Gesetzmäßigkeiten sind phänomenologisch aus den wenigen Beobachtungen abgeleitet worden, die in den Dreißigerjahren zu den Massen und Häufigkeitsverteilungen der Nuklide vorlagen. Dass von Weizsäcker die Zusammenhänge erkannt hat und durch jeweils einen einheitlichen Mechanismus, die Massenformel und die Aufbauhypothese, erklären wollte, zeigt seine Vision und Vorstellungskraft. Hans Bethe, der 1935 in die USA emigriert war, gelangte 1939 unabhängig von C. F. von Weizsäcker zu weiterführenden Einsichten in die Kernreaktionen in Sternen. Dafür erhielt Bethe 1967 den Physik-Nobelpreis. Die von Weizsäckersche Massenformel gilt noch heute unter Rücksichtnahme mikroskopischer Korrekturen weitgehend. Von der Aufbauhypothese bleibt der Bethe-Weizsäcker-Zyklus von zentraler Bedeutung für unser Verständnis vom Brennen der Sterne.

Trotz der enormen Breite seines Wirkens, das von der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina mit einem Festsymposium vom 20. bis 22. Juni gewürdigt wurde, hatte die Physik für Carl Friedrich von Weizsäcker einen besonderen Stellenwert. So resümierte er einmal: „Die Physik erklärt die Geheimnisse der Natur nicht, sie führt sie auf tiefer liegende Geheimnisse zurück.“

Alexander Pawlak

 

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