06.02.2024

Auf dem Weg zum skalierbaren Festkörper-Quantencomputer

EU-Projekt SPINUS entwickelt experimentelle Plattformen auf der Grundlage von Festkörper-Spin-Qubits.

Im Januar startete ein neues EU-Projekt, das die Forschung auf dem Gebiet des festkörper-basierten Quanten­computings bedeutend voranbringen soll. Das Projekt „Spinus“ zielt darauf ab, experimentelle Plattformen auf der Grundlage von Festkörper-Spin-Qubits für Quanten­simulationen und Quanten­computer zu schaffen. Das Projekt adressiert die kritischen Aspekte dieser Plattformen und zeichnet sich durch seinen umfassenden Ansatz aus, der sich auf Materialdesign, Kontroll­techniken und Auslese­technologie sowie auf maßgeschneiderte Quanten­algorithmen konzentriert.

Mitglieder des EU-Projekts SPINUS beim Starttreffen im Januar in Freiburg.
Abb.: Mitglieder des EU-Projekts SPINUS beim Starttreffen im Januar in Freiburg.
Quelle: Fh.-IAF

In den letzten zehn Jahren wurden verschiedene Systemarchitekturen für Quanten­simulationen entwickelt, die auf einem breiten Spektrum von Ansätzen basieren, darunter ultrakalte neutrale Atome, Ionenfallen, Rydberg-Atome, photonische Systeme und supraleitende Schaltungen. Obwohl in allen Bereichen bedeutende Fortschritte erzielt wurden, bleibt eine grundlegende Heraus­forderung bestehen: Es ist weiterhin nicht möglich, groß angelegte Quanten­simulatoren zu schaffen, die effektiv entwickelt, initialisiert und kontrolliert werden können, um komplizierte Aspekte der Quanten­vielteilchen­dynamik zu erforschen. 

Ein vielversprechender Ansatz im Quantencomputing ist die Nutzung von Stickstoff­vakanzzentren (NV) in Diamant. Ihre einzigartigen Eigenschaften – stabile und kontrollierbare Quanten­zustände bei Raumtemperatur – sind in bahnbrechenden Experimenten nachgewiesen worden. Um dieses Potenzial zu nutzen, baut das Projekt Spinus auf den jüngsten Entwicklungen im Bereich der elektronischen und nuklearen Spin-Netzwerke, der Festkörper-Quanten­simulatoren sowie -computer auf, um diesen technologischen Ansatz in Richtung skalierbarer Festkörper-Systeme voranzutreiben. Martin Koppenhöfer, Projekt­koordinator am Fraunhofer IAF, sagt: „Die Möglichkeit, NV-Zentren bei Raumtemperatur zu betreiben, unterscheidet sie von anderen Quanten­computer-Architekturen. Wir freuen uns darauf, diese Plattform technologisch weiterzuentwickeln und Quanten­simulationen und Quanten­berechnungen auf größeren Skalen zu demonstrieren.“ 

Was „Spinus“ außerdem auszeichnet, ist sein umfassender und kooperativer Projektansatz sowie seine innovativen Konzepte und Ansätze. Das Projekt zielt darauf ab, Durchbrüche im Bereich der Quanten­technologien zu fördern und bestehende Einrichtungen auf diesem Gebiet zu ergänzen, indem es eng mit assoziierten Start-ups und anderen Forschungs­projekten im Quantencomputing-Ökosystem zusammenarbeitet. „Wir wollen das Feld der Quanten­technologien nachhaltig beeinflussen und zur Entwicklung großer Quantensysteme in Europa beitragen, indem wir die Grenzen des derzeit Machbaren verschieben“, sagt Daniel Hähnel, Abteilungsleiter Quantentechnologien am Fraunhofer IAF. 

Um ausgereifte Hardware-Plattformen für die Quanten­simulation zu entwickeln, die die Vorteile der Quantenphysik in einem breiten Spektrum von Anwendungsfällen nutzen können, sind Verbesserungen bei der Systemgröße, der Steuerbarkeit und der Programmierbarkeit unerlässlich. Die Forscher werden auf der Grundlage von drei verschiedenen Arten von Quanten­simulator-Prototypen in all diesen Bereichen über den Stand der Technik hinausgehen: 3D-Kern-Spin-Simulator, 3D-Elektronen-Spin-Simulator, 2D-Kern-Spin-Simulator. Ziel ist es, experimentelle Plattformen für Quanten­simulationen mit mehr als fünfzig Quanteneinheiten zu entwickeln. Alle Simulatoren basieren auf der gleichen Prämisse: kontrollierbare, interagierende Spin-Netzwerke in Diamant und Siliziumkarbid (SiC), die mittels optisch aktiven Defekten genutzt werden. Jeder Simulator verwendet unterschiedliche Konfigurationen von Spins, um den Simulator auf spezifische Anwendungen zuzuschneiden.

„Spinus“ zielt darauf ab, Quantencomputer­plattformen auf der Grundlage von NV-Zentren zu verbessern, indem die Anzahl der nutzbaren Qubits von Quantencomputern auf über zehn Qubits erhöht wird. Zu diesem Zweck wird das Konsortium gekoppelte Arrays von NV-Zentren realisieren und dabei die Güte des Quantengatters von mehr als 99,9 Prozent beibehalten und verbessern. Die Forscher werden auch an der Entwicklung einer photo­elektrischen Detektion von magnetischen NV-Resonanzen (PDMR) und einer selektiven Auslesetechnologie arbeiten, um den derzeitigen Engpass der selektiven Adressierbarkeit für eine höhere Anzahl von Qubits im Vergleich zu optischen Techniken zu überwinden. 

Die daraus resultierenden Plattformen sollen eine universelle Quantenrechnung auf der Grundlage von Zwei-Qubit-Gate-Operationen ermöglichen, die durch kontrollier­bare dipolare Kopplungen zwischen benachbarten NV-Zentren erleichtert werden. Zusätzlich zu den technischen Heraus­forderungen bei der Skalierung von NV-basierten Quantencomputern ist die Entwicklung der erforderlichen Hardware- und Software-Infrastruktur erforderlich. Dazu gehört die Entwicklung verbesserter Methoden für die Kontrolle und das Auslesen des Quantenzustands der Qubits, was für die Erzielung von Gattern mit hoher Güte und genauen Messungen entscheidend ist. 

Ein weiterer entscheidender Faktor ist die Leistungsfähigkeit von Quantenalgorithmen für verschiedene Anwendungsfälle, sowohl auf algo­rithmischer Ebene als auch hinsichtlich ihrer Implementierung auf der spinbasierten Rechenplattform. Während die einzelnen Konsortial­partner individuell bereits beträchtliche Forschungs­anstrengungen in diese Richtung unternommen haben, wird sich das Projekt gemeinsam den Herausforderungen in den Bereichen Materialdesign, Steuerung, Auslesen, Geräte­charakterisierung und Quanten­algorithmen stellen, um Quantencomputer­plattformen auf der Basis von NV-Zentren voranzubringen. 

Fh.-IAF / JOL

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