26.06.2023

Astronomischer Weitblick

Vor 125 Jahren wurde die Landessternwarte Königstuhl in Heidelberg eröffnet.

Am 20. Juni 1898 hatte sich viel Prominenz in der Heidelberger Universitätsaula versammelt, um die Eröffnung der „Grossherzoglich Badischen Landessternwarte auf dem Königstuhl“ zu feiern, darunter Großherzog Friedrich I. von Baden mit Gattin Luise, Thronfolger Prinz Max, der badische Staatsminister Wilhelm Nokk und weitere Honoratioren von Land und Stadt.  Den Festvortrag hielt der 35-jährige Heidelberger Astronom Max Wolf (1863 – 1932), dessen erster Sohn Franz drei Tage zuvor geboren worden war.

Auf den Tag genau 125 Jahre später feierte ein Festakt in der Neuen Aula der Universität Heidelberg die Gründung der Landesternwarte. Gekrönte Häupter oder Minister fanden sich zur Jubiläumsfeier nicht mehr ein; den Festvortrag hielt Harald Lesch. Der Professor für Astrophysik an der LMU München, bekannt als Moderator von Fernsehsendungen, forschte als Postdoktorand von 1988 bis 1991 an der Landessternwarte.

Der Bau der „Bergsternwarte“ verdankt sich nicht zuletzt der großzügigen Förderung durch den sehr an der Astronomie interessierten Großherzog Friedrich I., der damit die Verlegung der Landessternwarte von Karlsruhe nach Heidelberg einleitete. Max Wolf prägte nachhaltig Bau und Betrieb des neuen und modernen Observatoriums. Er hatte sich bereits in den 1880er-Jahren durch Beobachtungen von seiner Privatsternwarte in der Heidelberger Altstadt aus einen Namen gemacht. So gelang es ihm mit kurzbrennweitigen Objektiven, auch ausgedehntere lichtschwache Objekte zu fotografieren, wie den von ihm benannten „Nordamerika-Nebel“ im Sternbild Schwan.

Friedrich I. sandte Wolf 1893 in die USA, um die dortigen Observatorien und die Weltausstellung in Chicago zu besuchen. Die gesammelten Erfahrungen flossen in die Konzeption der modernen Sternwarte auf dem Königsstuhl ein. Zu dieser gehörten zwei getrennte Institute: Das für Astrometrie leitete der aus Karlsruhe kommende Wilhelm Valentiner, dem für Astrophysik stand Max Wolf vor, der ab 1896 den Lehrstuhl für Astronomie an der Universität Heidelberg übernahm.

Zur Eröffnung existierten nur das Hauptgebäude und ein Kuppelbau. Max Wolf verlagerte zunächst seine eigenen Instrumente auf den Königstuhl. Dank der höheren Lage erzielte er dort wesentlich bessere Beobachtungen und Aufnahmen.

1900 kam das erste neue Teleskop auf die Sternwarte, ein spezieller, lichtstarker Doppelastrograf, den die amerikanische Philanthropin Catherine Wolfe Bruce (1816 – 1900) um 1895 auf Ersuchen von Max Wolf finanziert hatte. Am Bruce-Teleskop waren am langbrennweitigen Leitfernrohr zwei Kameras mit 40 Zentimeter Öffnung und 2 Meter Brennweite angebracht – beides damals ungewohnte Dimensionen. Die gemeinsame äquatoriale Montierung ermöglichte eine hochpräzise Nachführung für lange Belichtungen.

1906 kam der ebenfalls privat finanzierte Waltz-Reflektor hinzu, dessen Hauptspiegel einen Durchmesser von 72 cm hatte (Brennweite 280 cm). Dabei handelte es sich um das erste astronomische Großteleskop der Firma Carl Zeiss in Jena.

Mit den leistungsfähigen Teleskopen und neu entwickelten Untersuchungsmethoden, vor allem für die Himmelsfotografie, gelangen Max Wolf und seinen Mitarbeitern eine Reihe epochaler Entdeckungen, wie das Wiederauffinden des Halleyschen Kometen am 11. September 1909, Studien über die Schweifstruktur von Kometen, Untersuchungen zur Struktur der Milchstraße sowie die fotografische Dokumentation und Beschreibung von fast 6000 Gasnebeln. Außerdem gehörte die Suche nach kleinen Planeten bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts zu den Hauptarbeitsgebieten der Landessternwarte.

Parallel zu Vesto Slipher in den USA fand Wolf 1914 auf spektroskopischem Weg Anzeichen für eine Rotation des Andromeda-Nebels, der damals noch nicht als Galaxie identifiziert war. Von diesen Beobachtungen führte der Weg schließlich zum Nachweis der Existenz „Dunkler Materie“ anhand der Rotationsgeschwindigkeiten von Galaxien durch Fritz Zwicky.

Mit dem Tod von Valentiner im Jahre 1909 übernahm Max Wolf allein die Leitung der Landessternwarte. Der Erste Weltkrieg führte zu Personalmangel und Versorgungsengpässen und stellte einen tiefen Einschnitt für die Landessternwarte und Max Wolf dar. Den ehrgeizigen Plan seines Nachfolgers Heinrich Vogt für ein Spiegelteleskop mit 1,8 Metern Öffnung vereitelte der Zweite Weltkrieg.

Die Berufung von Hans Kienle leitete 1950 einen Neuanfang für die Astronomie in Heidelberg ein, die 1969 mit der Gründung des Max-Planck-Instituts für Astronomie einen weiteren Schub erhielt. Der Sonderforschungsbereich 132 „Stellare Systeme“ festigte von 1973 bis 1986 die Zusammenarbeit der Landessternwarte mit dem Astronomischen Rechen-Institut (ARI) und dem Institut für Theoretische Astrophysik (ITA), die zusammen das Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH) bilden.

Im Bereich der Hochenergie-Astrophysik beschäftigen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Landesternwarte mit aktiven Galaxien und Quasaren. Arbeitsgruppen der Stellarphysik forschen zu kühlen und heißen Sternen. Mit speziellen Himmelsdurchmusterungen werden die ältesten Sterne der Milchstraße aufgespürt.

Wolfs besondere Leistungen für die Astronomie lagen nicht zuletzt in der Entwicklung von Instrumenten und Beobachtungstechniken. „Der Satz, daß das Werkzeug in erster Linie die Wissenschaft schafft, lässt sich an der Entwicklung der Sternkunde vielleicht am besten verfolgen“, schrieb er 1925 in einer Schrift für das Deutsche Museum in München. Damit wies er auch den Weg für die Landessternwarte, die ab den 1930er-Jahren nicht mehr mit den Beobachtungsmöglichkeiten der großen amerikanischen Observatorien mithalten konnte.

So wirkt die Landessternwarte, die unter anderem am Large Binocular Telescope in den USA beteiligt ist, mit am Bau astronomischer Messinstrumente wie dem „Planetenjäger“ CARMENES oder dem Spektrographen 4MOST für das VISTA-Teleskop des Cero Paranal Observatoriums der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile. Mit 4MOST lassen sich gleichzeitig tausende Spektren astronomischer Objekte gewinnen.

Die Bedeutung einer Sternwarte auf der Südhalbkugel hat Max Wolf bereits 1900 in einer Denkschrift zum Ausdruck gebracht, in der er die „unbedingte und nicht mehr lange aufzuschiebende Notwendigkeit an die Nordeuropäer, im Süden einen Ort zu haben, wo sie zeitweise arbeiten können“ anmahnte.

Zu dieser Zeit hatte er schon einen Kostenplan für eine Südsternwarte erstellt, doch die ehrgeizigen Pläne wurden letztlich erst 1969 Wirklichkeit, als in La Silla in Chile das erste Observatorium der 1962 gegründeten ESO eingeweiht wurde. In jedem Falle wäre Wolf hocherfreut über die globale Vernetzung der Landessternwarte und die damit verbundenen Beobachtungsmöglichkeiten.

Alexander Pawlak
 

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