Neutronen spielen als Sonden eine essenzielle Rolle in Materialforschung und Wirkstoffentwicklung. Die benötigten Strahlen freier Neutronen stammten bisher hauptsächlich aus Kernspaltungsprozessen in Forschungsreaktoren. Viele der Reaktoren erreichen demnächst das Ende ihrer Laufzeit. Daher wartet die Nutzergemeinschaft gespannt auf die Inbetriebnahme der Europäischen Spallationsquelle (ESS) im schwedischen Lund, welche die leistungsfähigste Neutronenquelle der Welt sein wird. Gleichzeitig geht die Entwicklung neuer hochbrillanter beschleunigergetriebener Quellen voran, um das europäische Netz zu ergänzen. Neue Ansätze ermöglichen es, brillante Neutronenstrahlen für Wissenschaft und Industrie bereitzustellen – an zuverlässigen, nachhaltigen, flexiblen Einrichtungen mit moderaten Betriebskosten und leichtem Nutzerzugang.
Neutronen finden in fast allen wissenschaftlichen Gebieten Anwendung: von der Strukturaufklärung magnetischer Materialien, der Erforschung von Quantenphänomenen und den Eigenschaften von Batteriematerialien über die Struktur und Dynamik von Polymeren und Proteinen, die Belastbarkeit und Struktur komplexer Werkstoffe, die Wechselwirkung von Biomolekülen bis hin zu den Eigenschaften geologischer Materialien und der Untersuchung archäologischer Funde oder Kulturgegenstände. Entscheidend für die Attraktivität von Neutronen als Sonden in der Mikrowelt sind ihre besonderen Eigenschaften (Infokasten).
Um Neutronenstrahlen zu erzeugen, ist es nötig, Neutronen aus Atomkernen freizusetzen. Dazu gilt es, die von der starken Wechselwirkung vermittelte Bindung mit den Protonen im Kern zu überwinden. Um einen möglichst hohen Neutronenfluss, also möglichst viele Neutronen pro Sekunde und Flächenelement, zu erhalten, sind in der Regel relativ große Anlagen nötig. Die erforderlichen Abmessungen übersteigen wie die Investitionen und Betriebskosten die Möglichkeiten einer Universität. So benötigt die Materialforschung Neutronenflüsse, die nur Kernreaktoren oder Anlagen mit Ionenbeschleunigern bereitstellen. Zahlreiche Instrumente erlauben verschiedene wissenschaftliche Anwendungen. Ein Peer-Review-Begutachtungsverfahren organisiert üblicherweise die Vergabe von Messzeit an diesen Neutronenquellen, die angewandter und Grundlagenforschung sowie der Industrie offenstehen. (...)