Neben Licht – oder allgemeiner: elektromagnetischer Strahlung – senden die Sterne am Nachthimmel auch einen Strom geladener Ionen aus, den Sternwind. Bei manchen Sternen fällt dieser so stark aus, dass sich der Lebensweg des Sterns fundamental verändert. Das gilt vor allem für heiße, massereiche Sterne: Ihr permanenter Massenverlust beeinflusst ihre unmittelbare Umgebung und stellt einen wichtigen Baustein im kosmischen Materiekreislauf dar. Sternwinde haben vermutlich einst unser Sonnensystem ermöglicht – sie beeinflussen die gesamte moderne Astrophysik.
Die Auswirkung eines besonderen Sternwinds lässt sich spektakulär in den Polarregionen beobachten: Jedes Jahr zieht es zahlreiche Menschen in den hohen Norden, um Polarlichter zu sehen. Sie entstehen, wenn der Sonnenwind mit dem Erdmagnetfeld wechselwirkt. Der Sonnenwind ist der wohl am besten studierte Sternwind und − zum Glück für uns auf der Erde − auch einer der harmloseren. Lediglich zehn Billiardstel ihrer eigenen Masse (10–14 M⊙) gibt die Sonne pro Jahr als Sternwind ab. Das reicht aus, um Satelliten in Bedrängnis zu bringen, aber nicht, um das eigene Schicksal maßgeblich zu beeinflussen.
Der Wind heißer, massereicher Sterne fällt deutlich dramatischer aus: Typischerweise brauchen sie nur wenige Millionen Jahre, um eine Sonnenmasse in den Weltraum abzustoßen; bei besonders starken Winden passiert dies innerhalb von 10 000 bis 100 000 Jahren. Mit Effektivtemperaturen zwischen 10 000 und 60 000 K − teilweise sogar mehr als 100 000 K − sind diese Sterne um ein Vielfaches heißer als unsere Sonne mit ihren knapp 6000 K. Ein massereicher Stern ist bei seiner Entstehung mindestens achtmal so schwer wie die Sonne; die massereichsten Exemplare beginnen ihre Existenz mit weit über 100 Sonnenmassen. Durch den starken Sternwind geben sie allerdings einen signifikanten Anteil im Laufe ihrer Entwicklung an die Umgebung ab. Ist der Wind so stark, dass der Massenverlust auf einer vergleichbaren Zeitskala stattfindet wie die Fusionsprozesse im Sterninneren, beeinflusst der Wind die weitere Entwicklung des Sterns und kann zum Beispiel verhindern, dass sich der Stern zu einem Roten Überriesen aufbläht.
Der Wind massereicher Sterne ist wegen ihrer höheren Leuchtkraft deutlich ausgeprägter als bei unserer Sonne. Mit höherer Masse steigen Druck und Temperatur im Sterninneren, sodass Fusionsprozesse schneller ablaufen: Die Leuchtkraft wächst überproportional im Verhältnis zur Sternmasse – und mit der Leuchtkraft skaliert der Strahlungsdruck. Während dieser für die Sonne und ihren Wind vernachlässigbar bleibt, stellt er für den Wind heißer, massereicher Sterne die alles entscheidende Größe dar, die den Gasdruck um ein bis zwei Größenordnungen übersteigt. (...)