Wasser ist wahrlich ein besonderer Stoff, nicht zuletzt wegen seiner teils einzigartigen physikalischen Eigenschaften, wie der Dichteanomalie, der sehr hohen Oberflächenspannung, der höchsten spezifischen Wärmekapazität oder der größten Verdampfungswärme aller Flüssigkeiten [1]. Nicht zufällig inspiriert es immer wieder Forscherinnen und Forscher dazu, sich neuen Fragestellungen zu seinen Eigenschaften zu widmen [2, 3]. Auch seine Farbe, die augenscheinlich am besten beobachtbare Eigenschaft, lohnt einen genaueren physikalischen Blick.
Fast jeder Schwimmbadbesucher, der mit Schwimmbrille unter Wasser umherschaut, kennt das Phänomen: Die Wände haben im Allgemeinen einen leicht bläulichen Farbton. Oft bestehen sie entweder aus weißen Kacheln oder Edelstahl, zeigen also eine wellenlängenunabhängige Reflexion. Wenn dann auch die Lichtquelle wie die Sonne weiß ist, sollte die wahrgenommene Farbe anhand der sie erzeugenden Spektren nur vom Wasser herrühren. Hat Wasser also eine intrinsisch blaue Farbe? Bei der Beantwortung dieser Frage soll es nicht um die scheinbaren Farben des Wassers durch Reflexion farbiger Gegenstände an seiner Oberfläche gehen, sondern um ausgedehnte Wasservolumina, wie sie in natürlichen Gewässern – Flüssen, Seen und Meeren – vorkommen, mit Dimensionen und Tiefen von Dezimetern bis hin zu vielen Kilometern.
Im Idealfall besteht Wasser nur aus H2O-Molekülen, gekoppelt über Wasserstoffbrückenbindungen. Dem am nächsten kommt das „Reinstwasser“, die höchste technische Reinheitsstufe, bei der Wasser so gut wie keine Fremdstoffe enthält. In der Natur und im Alltag enthält alles Wasser neben gelösten Gasen wie CO2 oder O2 auch gelöste Ionen wie die von Natrium, Calcium oder Magnesium sowie Karbonate, Chloride und Sulfate. Der Massengehalt an gelösten Salzen liegt in natürlichem Süßwasser unter 0,1 Prozent. Im Meerwasser erreicht er im Schnitt 3,5 Prozent, beim Extremfall Totes Meer bis zu 28 Prozent. Oberflächensüßwasser und auch Meerwasser kann je nach Eintrag durch Landwirtschaft, Industrie oder Lebewesen weitere Inhaltsstoffe enthalten. Dazu zählen viele suspendierte Teilchen, insbesondere Erde und Sand, sowie mehr oder weniger große Mengen an organischen Substanzen, die sich im Wesentlichen aus Stoffwechsel- und Abbauprodukten von Pflanzen und Tieren zusammensetzen.
Das Spektrum der Inhaltsstoffe ist somit sehr groß. Im Folgenden ist reinstes Wasser möglichst reines auf der Erde verfügbares Süßwasser, d. h. Wasser ohne organische Inhaltsstoffe mit einem geringen Anteil gelöster Salze. Darauf aufbauend lässt sich diskutieren, wie Inhaltsstoffe die optischen Eigenschaften des Wassers verändern. Eine einfache direkt korrelierte Messgröße ist hierbei sowohl qualitativ wie quantitativ die Sichtweite, die von wenigen Zentimetern bei einigen Oberflächengewässern bis hin zu vielen Metern im Meer reichen kann. Unter Sichtweite versteht man generell die Entfernung, in welcher der Kontrast zwischen einem Objekt und dem Hintergrund unter einen bestimmten Schwellenwert sinkt. Dieser wird in der Atmosphäre meist auf zwei Prozent angesetzt. (...)