Die Regelungen über die Akkreditierung von Studiengängen des Landes Nordrhein-Westfalen, wonach Agenturen Studiengänge „nach den geltenden Regelungen“ akkreditieren, sind mit dem Grundgesetz unvereinbar. Dies hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts 2016 entschieden. Das Urteil bezieht sich zwar auf einen Einzelfall, hat aber bundesweite Bedeutung. Ausgangspunkt war die Streitfrage, ob eine Akkreditierung durch eine Agentur rechtmäßig ist, denn es wird damit schwerwiegend in die Wissenschaftsfreiheit eingegriffen durch Vorgaben anderer Akteure, ohne die notwendigen gesetzlichen Vorgaben dafür zu machen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts machte Änderungen im Akkreditierungssystem notwendig. Als Folge schlossen die Bundesländer 2018 einen „Staatsvertrag über die Organisation eines gemeinsamen Akkreditierungssystems zur Qualitätssicherung in Studium und Lehre an deutschen Hochschulen“. Darauf aufbauend beschloss die Kultusministerkonferenz Musterrechtsverordnungen.
Die erste Veränderung besteht darin, dass der Akkreditierungsrat entscheidet, während die Agenturen künftig nur noch die Hochschulen auf dem Weg zu einem Bericht an den Rat begleiten. Damit schlüpfen sie in die Rolle eines Dienstleisters und müssen folglich ihr Geschäftsmodell anpassen. Für die Akkreditierungspraxis selbst wird sich dadurch aber wenig ändern.
Der zweite wichtige Aspekt zielt auf die Stärkung der Fachlichkeit innerhalb der Akkreditierung. Dazu heißt es, dass die Qualitätssicherung durch Einhaltung fachlich-inhaltlicher Kriterien gewährleistet wird. Dazu gehören auf dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Forschung befindliche fachlich-inhaltliche Standards, die es kontinuierlich zu überprüfen und an fachliche Weiterentwicklungen anzupassen gilt. Ganz offensichtlich möchte der Gesetzgeber wieder ein verstärktes Augenmerk auf die Fachlichkeit im Studium richten, und zwar gemäß erstaunlich konkreter Kriterien.
Natürlich müssen und sollen auch formale Kriterien erfüllt sein, die von den Agenturen vorab zu prüfen sind. Die Begutachtung der fachlich-inhaltlichen Aspekte wie auch die endgültige Entscheidung einer Akkreditierung liegt nun in den Händen (fach-)wissenschaftskompetenter Personen. Denn der Akkreditierungsrat trifft Entscheidungen mit der Mehrheit seiner Stimmen, wobei zur Feststellung der Einhaltung fachlich-inhaltlicher Kriterien die Hochschullehrenden die Mehrheit der Stimmen besitzen. Endlich hat das Thema Fachlichkeit den ihm gebührenden Platz im rechtlichen Akkreditierungsfundament erhalten!
Die Bedeutung eines verstärkten Augenmerks auf die Fachlichkeit im Studium bezieht sich vor allem auf zwei Aspekte: In physiknahen Studiengängen ist es unabdingbar, einerseits alle notwendigen physikalischen Grundlagen zu vermitteln und andererseits den physikfernen Anteil sinnvoll darauf abzustimmen. Als Physiklehrende haben wir nun handfeste Argumente, um zu gewährleisten, dass die Hochschulleitungen bei Systemakkreditierungen nicht wie oft bisher weitgehend auf formale Kriterien achten. Dies beinhaltet u. a. unverzichtbare Inhalte als auch die Sicherstellung der Studierbarkeit in der Regelstudienzeit.
Auch die Tätigkeit der Gutachterinnen und Gutachter erhält mehr Relevanz. Aufgrund ihres weiten Ermessensspielraums müssen sie darauf achten, dass nicht Einzelmeinungen ganze Studiengänge beeinflussen. Erfreulicherweise können sie sich dabei auf die fachlich-inhaltlichen Aspekte stützen.
In der Physik wird durch die enge Vernetzung der einzelnen Fachbereiche durch die Konferenz der Fachbereiche Physik (KFP) der verstärkten Forderung nach Fachlichkeit immanent Rechnung getragen, sodass wir hier (mit) eine Vorreiterrolle einnehmen. Damit dies so bleibt, sollte der konstruktive Austausch der für die curriculare Ausgestaltung verantwortlichen Personen wie bisher weitergeführt oder gar vertieft werden. So können wir sicherstellen, dass alle Physikstudierenden in Deutschland unabhängig vom Standort eine gute Ausbildung erhalten und für das Berufsleben gerüstet sind.
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